Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
Horus.
»Commander«, sagte Horus nun förmlich, »gestatten Sie mir, Ihnen den Kommando-Rat des Unterlicht-Kampfschiffes Nergal vorzustellen, ehemals Mitglied der Raumflotte – und das gilt auch für einige ihrer Besatzungsmitglieder.«
Colin runzelte die Stirn. Die Nergal war eines der Schiffe von Anu gewesen; doch es wurde ihm hier gerade schmerzhaft klar, dass diese Leute, wer auch immer sie sein mochten, auf keinen Fall Freunde von Anu waren. Zumindest nicht mehr. Colins Gedanken überschlugen sich fast, während er versuchte, die Informationsfetzen, die er bisher hatte erhaschen können, zusammenzusetzen und daraus einen Vorteil für sich zu ziehen.
»Ich verstehe«, sagte er nur, und Horus begann leise vor sich hin zu lachen.
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie ein sehr guter Pokerspieler sind, Commander«, sagte er trocken und bedeutete Colin dann mit einer Handbewegung, zu einem der beiden einzigen unbesetzten Sessel zu treten. Es war der Posten des Zweiten Richtschützen, wie Colin feststellte, doch die zugehörige Konsole war inaktiv.
»Ich versuche es zumindest«, meinte Colin und neigte den Kopf zur Seite, um Horus zum Weitersprechen zu bewegen.
»Ich sehe schon, dass Sie nicht die Absicht haben, das hier allen Beteiligten so einfach wie möglich zu machen. Nun ja, ich denke, das kann man Ihnen auch nicht verübeln.« Jiltanith stieß einen kurzen, abschätzigen Laut aus, um zu zeigen, dass sie die Lage anders sah, und Horus warf ihr mit gerunzelter Stirn einen strengen Blick zu. Sie riss sich zusammen, Colin jedoch hatte das überdeutliche Gefühl, dass sie es vorgezogen hätte, mit etwas deutlich tödlicherem als nur mit einem tragbaren Suppressor auf ihn zu zielen.
»Also gut«, begann Horus dann in sehr viel schärferem Ton und drehte sich zur Seite, um Isis höflich zu dem noch freien Sessel des Kommandanten zu geleiten, »das erscheint mir angemessen. Fangen wir ganz vorne an!
Zunächst einmal, Commander, werden wir Sie nicht dazu auffordern, irgendwelche Informationen preiszugeben, solange Sie das nicht selbst wollen. Dennoch sind einige Dinge hier ganz offenkundig.
Erstens ist die Dahak tatsächlich vollständig einsatzbereit. Zweitens gibt es einen Grund dafür, warum das Schiff seinerzeit weder die Meuterei niedergeschlagen noch Hilfe herbeigerufen hat. Drittens hat das Schiff sich letztendlich doch noch Hilfe herbeigeholt: Deswegen sind Sie hier, und damit befindet sich auch zum ersten Mal seit fünfzigtausend Jahren wieder ein Mensch mit einer vollständigen Brückenoffiziers-Ausstattung auf der Erde. Viertens, und das ist vielleicht das Wichtigste von allem – wenn Sie gestatten, dass ich das so hart ausdrücke –, die Informationen, auf denen Ihre Pläne basieren, haben sich als unzutreffend erwiesen. Oder vielleicht wäre es korrekter, hier das Wort ›unvollständig‹ zu verwenden.«
Er machte eine Pause, doch Colin gestattete seinem Gesicht nicht die kleinste Regung, nur ein gewisses höfliches Interesse zeigte er. Wieder seufzte Horus.
»Commander, Ihre Vorsicht ist bewundernswert, aber unangebracht. Auch wenn wir die ganze Zeit über Ihre Implantate unter dem Einfluss eines Suppressors gehalten haben, insbesondere Ihr ComLink, ist dieses Vorgehen doch ebenso in Ihrem Interesse wie in unserem. Sie können ebenso wenig wie wir daran interessiert sein, den Geschossen von Anu eine Zielmarkierung zu liefern! Allerdings ist uns sehr wohl klar, dass wir diejenigen sind, die Sie davon überzeugen müssen, dass unsere Absichten redlich sind, und die einzige Möglichkeit dazu sehe ich darin, Ihnen zu erklären, wer wir sind und warum wir so dringend um Ihre Hilfe ersuchen und nicht etwa die Absicht haben, Sie bei Ihren Plänen zu behindern.«
»Ist das so?« Endlich erlaubte sich Colin doch noch eine Frage, dann ließ er den Blick zu Jiltanith hinüberwandern. Horus verzog das Gesicht.
»Gibt es jemals so etwas wie eine ›einstimmige Entscheidung‹, Commander? Wir mögen Meuterer sein, oder auch etwas völlig anderes, doch wir sind auch eine Gemeinschaft, in der sich selbst diejenigen, die nicht mit der Meinung der Mehrheit übereinstimmen, den Entscheidungen unseres Rates beugen. Nicht wahr, 'Tanni?«, fragte er dann mit sanfter Stimme die junge Frau, die Colin immer noch zornig anfunkelte.
»Wahrlich, das stimmt wohl«, bestätigte sie knapp, stieß jedes Wort hervor, als bereite es ihr körperliche Schmerzen, und allein schon ihren offenkundigen Widerwillen empfand
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