Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
ältere Schwester war – und schüttelte sie, sanft und doch nachdrücklich. »So ist unsere Entscheidung. Diese Entscheidung obliegt nicht einmal dem Rat, und das weißt du auch!«
Unausgesprochener Widerspruch stand Jiltanith ins Gesicht geschrieben, verschlossen, voller Wildheit, und Horus seufzte und zog sie näher an sich heran, blickte über ihre Schulter hinweg zu Colin hinüber.
»Wir bitten nur um eine einzige Gegenleistung, Commander«, fuhr er dann leise fort.
»Was?«, fragte Colin ebenso leise.
»Immunität – ›Amnestie‹, sozusagen, für Menschen wie 'Tanni.« Das Mädchen in seinen Armen versteifte sich, versuchte ihn von sich zu stoßen, doch er konnte sie mit einem Arm mühelos festhalten. Nun hob er den anderen Arm und legte ihr den Zeigefinger an die Lippen, um sie davon abzuhalten, weiter zu protestieren.
»Sie waren Kinder , Commander, ohne jegliche Beteiligung an unseren Verbrechen, und viele haben bei dem Versuch, diese Verbrechen ungeschehen zu machen, ihr Leben verloren. Kann das Imperium sie dafür strafen?«
Augen aus einem alten, stolzen Gesicht flehten Colin an, dunkle, uralte Augen voller echter Verzweiflung, und Colin erkannte, dass Horus hier nichts anderes forderte als Gerechtigkeit.
»Wenn – und ich meine das im Sinne von ›falls‹ – Sie mich davon überzeugen können, dass Sie all das aufrichtig meinen und willens und in der Lage sind, mir zu helfen«, erwiderte er bedächtig, »dann werde ich mein Bestes tun. Mehr als das kann ich nicht versprechen.«
»Ich weiß«, gab Horus zurück. »Aber Sie werden es versuchen?«
»Das werde ich«, erwiderte Colin ehrlich.
Einen Augenblick lang schaute der alte Mann ihn wortlos an, dann nahm er Jiltanith mit langsamen Bewegungen den Suppressor aus der Hand. Kurz sträubte sie sich, überließ ihm das Gerät sichtlich widerwillig, und Horus schloss sie sanft in die Arme. Sein Blick verriet, wie gut er sie verstand. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er dann auf das Gerät hinunterblickte.
»Unter diesen Umständen«, sagte er, »werden wir Sie eben überzeugen müssen. Bitte kommen Sie uns insoweit entgegen, dass Sie keine Nachricht an die Dahak absetzen, zumindest nicht, bis wir unser Gespräch beendet haben!«
Und er schaltete den Suppressor ab.
Einen Moment lang saß Colin einfach nur völlig reglos da. Die anderen Imperialen auf der Kommandobrücke erschienen ihm plötzlich wie leuchtende Wesenheiten, ihre eigenen Implantate ließen sie von Innen heraus leuchten, und er spürte, wie seine Neuralzugänge der Reihe nach wieder online gingen. Die Computer der Nergal waren viel heller als die des Kutters , mit dem er zur Erde zurückgekehrt war, und diese Computer erkannten auch sofort einen Brückenoffizier, wenn sie es mit einem zu tun hatten. Nach fünfzig Jahrtausenden hatten sie endlich wieder jemanden, dem sie ordentlich Bericht erstatten konnten, und das Aufbranden ihrer Daten-Kernspeicher loderte in seinem Hirn wie ein Außerirdisches, ein überwelthaftes Feuer, lieferte ihm Informationen, erbat Anweisungen.
Colin blickte Horus in die Augen, als er begriff, welches Risiko der alte Mann gerade eingegangen war, denn im Elektronengehirn der Nergal waren keinerlei neue Sicherheitscodes implementiert worden. In dem Augenblick, da Colins Neuralzugänge auf diese Computer zugriffen, gehörten sie ganz ihm. Er, nicht Horus, befehligte das alte Schlachtschiff jetzt, alle externen Waffensysteme, alle internen Sicherheitssysteme.
Doch Vertrauen war nun einmal ein zweischneidiges Schwert.
»Ich nehme an, als Vorsitzender des Rates sind Sie zugleich auch der Kommandant dieses Schiffes?«, fragte er leise, und der alte Mann nickte.
»Dann setzen Sie sich, Kommandant, und erklären Sie mir, wie wir diesen Anu zur Strecke bringen wollen!«
Noch einmal nickte Horus, diesmal heftiger, und er nahm neben Isis Platz. Nicht für einen Sekundenbruchteil wandte Colin den Blick vom Gesicht seines neuen Verbündeten ab, doch das war auch nicht notwendig: Er konnte fühlen , wie rings um ihn die Anspannung des hier versammelten Rates nachließ.
Kapitel Elf
Colin lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. Das Quartier, das ihm die Meuterer (wenn das immer noch die richtige Bezeichnung für diese Leute war) zugewiesen hatten, war ein weiterer Versuch, ihm ihre Aufrichtigkeit zu beweisen: Es war die Kabine des Kommandanten, ausgestattet mit Neuralrelais zu allen Computern des alten
Weitere Kostenlose Bücher