Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
einzelnen Angriff einem Sieg einen Schritt näher, wie Wellen, die einen Strand überspülen, und Seans Schützenreihe war jedes Mal ein wenig weiter ausgedünnt, wenn der Gegner sich zurückzog. Noch zwei oder drei Stunden, dachte er.
Er zog den Schlagbolzen zurück und bereitete seine Pistole auf den nächsten Schuss vor, während er zu dem rauchverhangenen Nachmittagshimmel hinaufschaute. Gelegentlich konnte er das Dröhnen der Kämpfe im Norden hören, immer während der seltenen Feuerpausen, und Sean war auch immer noch mit Brashans Sonden verbunden. Die Satelliten konnten immer weniger erkennen, je mehr der Rauch und die zahlreichen Feuer sich ausbreiteten und die Passiv-Sensoren blendeten. Trotzdem ließ er auch den Kontakt mit Tibold und Harriet nicht abreißen. Der Ex-Gardist hatte sich mit seinen Männern bereits die halbe Strecke bis zum Platz der Märtyrer vorgekämpft, aber zu einem entsetzlichen Preis. Niemand wusste Genaueres, und Sean wusste auch, dass jeder dazu neigte, das Schlimmste anzunehmen, solange das Sterben noch weiterging. Aber selbst wenn man das berücksichtigte, ging Harriet doch davon aus, dass Tibold mehr als ein Sechstel seiner Männer verloren hatte. Die ›Armee der Engel‹ wurde aufgerieben, und es gab nichts, was er, deren Befehlshaber, dem sie folgten, dagegen tun konnte. Selbst wenn seine Männer bereit wären, es zu versuchen, waren sie doch inzwischen zu tief in die Stadt eingedrungen, um die Kämpfe noch abzubrechen und sich zurückzuziehen. Zudem wusste er, dass Tibold sich schlichtweg weigern würde, einen Rückzug auch nur zu versuchen, solange Tamman, Sandy oder er, Sean, noch lebten.
Was ja nun auch nicht mehr so lange dauern kann, dachte er verbittert.
»Sean! Bewegung im Norden!«
Sean rollte sich auf die Seite und stützte sich auf einen Ellenbogen, spähte nach rechts hinüber, als Tammans Meldung ihn über den Kommunikator erreichte. Doch selbst mit seinen erweiterten Augen konnte er von seiner Position aus nichts erkennen.
»Was für eine Bewegung?«, fragte er nach, und einen Augenblick lang herrschte Schweigen, bevor Tamman langsam antwortete: »Ich weiß nicht, Sean. Das sieht aus … mein Gott, das ist so! Die ziehen sich zurück!«
» Zurück? « Sean blickte Sandy an. Ihr rußverschmiertes Gesicht verriet ihre Erschöpfung, aber sie zuckte mit den Schultern, so verwirrt war sie. »Verlagern die sich nach Westen, Tam?«
»Nein, nein! Die ziehen sich einfach nur zurück. Wartet mal!« Wieder herrschte einen Augenblick lang Schweigen, während Tamman durch den Schutt kroch, um mehr sehen zu können. »Okay. Jetzt sehe ich sie besser. Sean, die Dreckskerle stellen sich zu einer Marschkolonne auf! Die halten geradewegs auf den Platz der Märtyrer zu!«
Sean wollte gerade etwas erwidern, als sich hinter ihm ein Unterhauptmann bäuchlings hinter den Schutthaufen warf. Der junge Mann keuchte und war von Kopf bis Fuß völlig verdreckt, doch in einer Art abgekürzten Salutierens klopfte er sich gegen den Brustpanzer.
»Erlaucht Sean! Im Süden zieht sich der Feind zurück.«
»Wie weit?«
»Deren Musketiere befinden sich immer noch im Gebäude, aber ihre Pikeniere ziehen sich eindeutig mit den anderen zurück, Erlaucht!«
Sean starrte hin an und zwang seinen Verstand, der sich scheinbar am liebsten in die tiefste Ecke seines Gehirns verkrochen hätte, erneut zu arbeiten. Die Garde musste doch wissen, dass sie hier die Erste fast ganz aufgerieben hatte. Also warum ließen die sich jetzt zurückfallen? Das konnte nicht einfach nur zum Umorganisieren oder Neuformieren sein, nicht, wenn Tamman wirklich Recht hatte und die Kolonne nach Norden auf den Platz der Märtyrer zumarschierte. Aber wenn es das nicht war, dann …
»Die ziehen Verstärkung gegen Tibold zusammen«, meinte er leise. Einen Moment lang blicke Folmak ihn nur an, dann nickte er langsam.
»Das muss es sein«, stimme er zu, und Sean schaute zu dem Unterhauptmann hinüber.
»Wie viele Piken haben die an der Südseite abgezogen?«
»Das weiß ich nicht genau, Erlaucht Sean …«, setzte der Malagoraner zögerlich an, und Sean schüttelte den Kopf.
»Dann schätzen! Wie viele?«
»Mindestens fünftausend.«
»Tam? Wie viele sind das bei dir?«
»Ich glaube, sieben- oder achttausend Pikeniere. Die haben noch Musketiere zurückgelassen, damit wir uns nicht langweilen, aber ich schätze, es sind nicht mehr als tausend Pikeniere da, die sie noch unterstützen.«
Sean runzelte die Stirn, dann
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