Collection Baccara 0283
kommen, was?“ „Ich habe die Zeit hier wirklich genossen. Aber es warten viele Geschäftstermine auf mich.“
„Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?“, fragte Theresa.
„Natürlich“, antwortete er überrascht.
„Es passierte vor langer Zeit, als Lawrence und ich erst wenige Jahre verheiratet waren und noch in einem kleinen Haus in der Chetwood Street wohnten. Im Garten dieses Hauses standen wunderschöne riesige Bäume, die jeden Sommer von Vögeln bevölkert waren. Eines Morgens war ich draußen im Garten, um Unkraut zu jäten.“
Sie kam an den Tisch, um Erics Kaffeebecher aufzufüllen. Er war sich nicht sicher, worauf sie hinauswollte, aber er hörte ihr gespannt zu, denn sie schien genauso gut Geschichten erzählen zu können wie Polly. Vor Kurzem hatte sie ihn endlich eine ihrer Geschichten lesen lassen und ihm erzählt, dass Lara ihr einen Kontakt mit einem Verleger vermittelt hatte, der sich ihre Geschichten durchlesen wollte. Das wunderte Eric nicht, da ihre Erzählungen wirklich gut waren. Und nun wurde ihm klar, dass Polly dieses Talent von ihrer Großmutter geerbt haben musste.
„Hören Sie mir zu, Eric?“, fragte Theresa und sah ihn an.
„Natürlich. Sie waren gerade draußen, um Unkraut zu jäten.“
„Genau. Ich versuchte also, mein Tomatenbeet in Ordnung zu bringen, als ich mitten in der Pflanzung ein Küken fand, das aus seinem Nest gefallen sein musste. Es war so klein und hilflos. Vielleicht war es ein Spatz, aber ich erinnere mich nicht mehr so genau. Ich wusste nicht, was ich mit ihm tun sollte, aber das Küken würde sterben, wenn ich ihm nicht half. Deshalb trug ich es hinein und legte es in einen Korb. Dann fütterte ich es und pflegte es gesund. Lawrence baute mir einen kleinen Käfig, damit es nicht wegflog und sich wieder verletzte.
Aber als der Vogel zu Kräften gekommen war und fliegen konnte, wollte ich nicht, dass er mich verließ. Bald begann er, gegen den Käfig anzukämpfen und seine Freiheit einzufordern. Eines Tages hörte er aber plötzlich auf, sich zu wehren, als ob er einsah, dass es nichts brachte. Schließlich sang er auch nicht mehr. Darauf trug ich den Käfig nach draußen und entließ den Vogel in die Freiheit.
Ungefähr eine Woche später war ich gerade im Garten, als der Vogel zurückkam. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob es derselbe war, bis er sich auf den Zaun setzte und zwitscherte. In diesem Moment wurde mir klar, wie falsch es von mir gewesen war, den Vogel zum Bleiben zu zwingen. Er konnte nur in Freiheit leben.“
Eric hob seinen Becher und stellte überrascht fest, dass er leer war. Die Geschichte hatte ihn so fasziniert, dass er nichts anderes mehr mitbekommen hatte. Doch die Botschaft war nicht an ihm vorbeigegangen. „Sie glauben, dass Polly sich eingezwängt fühlt.“
„Ich glaube, dass sie sich in der Wahl ihrer Möglichkeiten eingeschränkt fühlt.“
Er runzelte die Stirn. „Noch vor drei Tagen wollten Sie, dass ich Ihre Enkelin heirate.“
„Daran hat sich auch nichts geändert. Aber in den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass Polly das vielleicht gar nicht möchte.“
„Soll ich nun aufgeben und sie gehen lassen?“
„Sie sollten sie einfach nicht mehr unter Druck setzen.“
Er verstand, worauf sie hinauswollte. Doch die Vorstellung, ein Leben ohne Polly zu führen, gefiel ihm gar nicht. „Ich liebe sie“, sagte er plötzlich.
„Das weiß ich. Deshalb bin ich mir sicher, dass Sie das Richtige tun werden.“
„Und was ist, wenn ich sie gehen lasse und sie nicht zurückkommt?“
„Dann soll es so sein.“
Eric schüttelte den Kopf. Sie waren füreinander bestimmt. Noch nie war er sich einer Sache in seinem Leben so sicher gewesen.
Trotzdem wusste er, dass ihre Großmutter recht hatte.
Wenn er mit Polly nach Tesoro del Mar zurückging, würde er niemals die Gewissheit haben, ob sie ihm gefolgt war, weil er es wollte, oder weil sie keine andere Möglichkeit sah.
Er musste die Tür öffnen und Polly in die Freiheit entlassen.
Polly verbrachte den Morgen im Shea’s, wo sie sich um die letzten Details der Überschreibung des Restaurants kümmerte. Obwohl es ihr schwerfiel, sich von ihrem Zuhause zu trennen, wo sie so viele Jahre gearbeitet und gelebt hatte, wusste sie, dass es richtig war. Sie hatte das Restaurant früher immer eng mit ihrem Vater in Verbindung gebracht, doch mittlerweile sah sie ein, dass es ein Gebäude wie jedes andere war. Was wirklich zählte, waren die Erinnerungen, die sie in
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