Collection Baccara Band 0250
letzten Wochen hatte er die Tatsachen so gut wie möglich verdrängt und sich ganz darauf konzentriert zu verhindern, dass aus Marcus’ Testament eine PR-Katastrophe entstand. Heute Abend konnte er jedoch nicht mehr. Hunderte Gäste, unter ihnen seine drei jüngst entdeckten Halbbrüder, feierten den fünfundsiebzigsten Geburtstag seines Großvaters mit allem angemessenen Pomp, doch Alex saß hier und starrte auf das Dokument, das sein Leben auf den Kopf gestellt hatte.
Unzählige Male hatte Marcus abgeblockt, wenn sein jüngerer Bruder seine Aufmerksamkeit erringen wollte – sein Bruder, der in Wahrheit sein Sohn war. Der Altersunterschied von fast zwanzig Jahren hatte früher Marcus’ Desinteresse an Alex erklärt, doch nun schmerzte es unbeschreiblich.
Und Helen! Immer hatte die langjährige Haushälterin der Familie Alex wie eine Mutter umsorgt – weil sie seine Mutter war!
Alex hatte einen bitteren Geschmack im Mund, als er aufstand und unruhig zwischen den Bücherregalen und den schweren dunkelroten Samtvorhängen hin und her ging. Sie waren am Nachmittag zugezogen worden, um die Bücher und die kostbaren Mahagonimöbel vor den Strahlen der Julisonne zu schützen.
Gleich nach der Verlesung des Testaments hatte Helen ihm zu erklären versucht, wieso sie auf Josephs und Elises Plan eingegangen war. Alex war jedoch nicht in der Stimmung gewesen, sich Entschuldigungen anzuhören. Klugerweise hatte sie sich sofort zurückgezogen und begriffen, dass er alles erst verarbeiten musste. Allerdings war er gar nicht sicher, ob er diese Ungeheuerlichkeiten überhaupt verarbeiten konnte.
Wenigstens war Elise erspart geblieben, als seine Großmutter entlarvt zu werden. Bisher hatte man sie immer für eine Frau gehalten, die sehr spät noch ein Kind bekommen hatte. Dass sie verschont wurde, war das einzig Gute an ihrem Krebstod vor zehn Jahren. Nun fragte Alex sich unweigerlich, ob nicht ein großer Anteil ihrer Liebe zu ihm in Wahrheit Schuldgefühle gewesen waren.
Und zuletzt war da Joseph McCoy, der Mann, der ein Riesenvermögen durch eine Kaufhauskette erworben hatte – mit dem Motto Vertrauen Sie nur einem echten McCoy. Joseph hatte vor Stolz gestrahlt, als Alex sich schon in jungen Jahren bemühte, ein Sohn zu sein, auf den sein Vater stolz sein konnte, ein Sohn, der Familie und Firmenimperium ehrlich und aufrichtig zu noch größerem Ansehen führen würde.
Bisher war Alex das gelungen – im Gegensatz zu Marcus.
Hatte Marcus vielleicht deshalb nach seinem Tod die Welt seines Sohnes zerstört? Es hatte zwar nie eine offene Rivalität zwischen ihnen bestanden, aber wer wusste schon, was sich in Marcus’ Kopf abgespielt hatte.
Alex blieb vor dem Kamin stehen, über dem ein Gemälde von Joseph, Elise und Marcus hing. Sein Blick blieb an dem zehnjährigen Jungen mit dem gleichen schwarzen Haar und den gleichen dunkelblauen Augen hängen, die er selbst hatte. Sicher war es richtig, dass Marcus seine anderen unehelichen Söhne anerkannt hatte, aber wieso hatte er das auch bei seinem ältesten Sohn getan? Alex ballte die Hände zu Fäusten und schlug auf das Kaminsims. Er war doch schon ein McCoy gewesen!
Es klopfte.
Alex drehte sich um, hatte jedoch nicht die geringste Absicht, sich zu melden. Eine Party war angesichts seiner düsteren Stimmung absolut nichts für ihn, schon gar nicht eine Party zu Ehren von Joseph, den er für seinen Vater gehalten hatte.
Alex wusste nicht, wem er was mehr verübelte – Marcus, dass er die Wahrheit enthüllt, oder Joseph, dass er die Wahrheit so lange verschwiegen hatte.
Er musste weg von hier, raus aus diesem Haus!
Da die Zufahrt zur Garage von den Wagen des Partyservice blockiert wurde, blieb ihm nur der Stall. Er wartete eine Weile, bis er sicher war, dass niemand mehr vor der Tür stand. Dann schloss er auf und wagte sich auf den von Menschen überfüllten Flur hinaus.
Die Düfte raubten ihm fast den Atem. Es roch nach Gardenien und Rosen, die jeden Tisch im Haus schmückten, nach Parfum und Aftershave.
Von dem weitläufigen und hohen Foyer des Herrenhauses drängten sich alle möglichen Leute durch den breiten Flur zur Terrasse hinter dem Haus. Sämtliche Gäste waren natürlich gut gekleidet, trugen jedoch von Maßanzug und Abendkleid alles bis hin zu schlichten dunklen Anzügen und einfachen Kleidern. Joseph war dafür bekannt, Menschen aus unterschiedlichen Schichten einzuladen. Industriemagnaten standen daher neben Postboten, die Joseph durch ihren
Weitere Kostenlose Bücher