COLLECTION BACCARA Band 0273
sich auch bemühte – das alles konnte sie nicht ignorieren. Der Kuss, den sie noch immer auf ihren Lippen spürte, hatte ihr das einmal mehr klargemacht. Daran hatte auch die anschließende hässliche Auseinandersetzung nichts ändern können. Wenn er sie jetzt anfasste, würde sie ihn nicht zurückweisen, im Gegenteil. Er machte sie verrückt, und dafür verachtete sie ihn.
In den Augen von Gabriel, der sie um mindestens einen Kopf überragte, spiegelten sich die unterschiedlichsten Gefühle wider. Kämpfte er einen inneren Kampf mit sich selbst? Überlegte er, ob er sie weiter beschimpfen oder mit dem weitermachen sollte, was sie vor wenigen Minuten so erregt hatte?
Angelina kannte die Antwort nicht. Und das machte sie fast wahnsinnig.
Offenbar hatte er in ihren Augen lesen können, was in ihr vorging, denn jetzt schüttelte er nur langsam den Kopf, drehte sich um – und ließ sie stehen.
Sie sah ihm hinterher, wie er mit weit ausholenden Schritten davonging. Irgendetwas lag ihm im Weg. Er trat es beiseite, ehe er um die Ecke bog.
Sie lächelte traurig und blickte frustriert zum Himmel, während sie ein Schluchzen unterdrückte. Obwohl sie sich mit allen Fasern ihres Körpers danach verzehrte, hatte er es nicht zugelassen, dass sie sich auf eine hastige und erbärmliche Affäre einließ. Und das musste doch etwas zu bedeuten haben. Oder?
6. KAPITEL
Ziellos lief Gabriel durch die Stadt. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. War er stundenlang oder bloß ein paar Minuten unterwegs gewesen? Er hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass er Angelinas Gegenwart nicht länger ertragen konnte. Einerseits bedauerte er, dass sie zurückgekommen war und wieder das übliche Chaos anrichtete; andererseits sehnte er sich nach ihr.
In dem Moment, als er sie geküsst hatte, war sein Verlangen so groß geworden, dass er keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnte. Dafür hasste er sie umso mehr. Und trotzdem begehrte er sie.
Als er am St.-Stephen’s-Park vorbeikam, brauchte er unbedingt einen Drink. Nicht, dass er zu den Menschen gehörte, die ihren Kummer mit Alkohol betäubten. Aber ein Drink würde ihm helfen, den Ärger zu vergessen und auf andere Gedanken zu kommen. Und wenn der Alkohol keine Wirkung zeigte, konnte Gabriel immer noch zu einem der Abbruchhäuser fahren, die er dem Erdboden gleichmachen musste, und sich mit dem Vorschlaghammer abreagieren.
Er bog in die Grafton Street ein und betrat die erstbeste Kneipe. Am Ende der Bar nahm er Platz und zog seine Brieftasche hervor, während der Barmann das Whiskeyglas füllte. Gabriel starrte in sein Glas, als er eine Stimme hinter sich hörte.
„Ein Penny für deine Gedanken.“
Seine Augen wurden groß. „Merrow.“
Sie musste lächeln, als er sich suchend in der Kneipe umblickte. „Nein, Alex ist nicht hier. Ich bin mit den Musketieren gekommen.“
Fragend sah er sie an und lachte. „So nennt Alex meine Freundinnen.“
Um Gabriels Mundwinkel zuckte es. „Das sieht ihm ähnlich.“
„Er ist übrigens zu Hause – falls du Lust auf Gesellschaft hast.“
Bei dem Gedanken, mit Alex sein kompliziertes Verhältnis zu Angelina zu diskutieren, zuckte Gabriel innerlich zusammen. „Nein, ist schon okay, danke.“ Um seiner Antwort etwas von der Schroffheit zu nehmen, lächelte er entschuldigend. „Geht’s euch beiden gut?“
„Mmh.“
Er nahm sein Glas und trank einen Schluck, der ihm in der Kehle brannte. Es war eine gute Idee gewesen, hierherzukommen, überlegte er, obwohl eigentlich Angelina der Grund war, dass er jetzt hier saß und trank.
„Beziehungsprobleme?“
Er musste lachen. Sie hatte ja keine Ahnung, wie groß die Probleme waren, die man mit Angelina haben konnte. Die Frau war wie ein winziger Holzsplitter, der sich unter einen Fingernagel gebohrt hatte und unmöglich zu entfernen war.
Gabriel hielt das Glas gegen das Licht, und in der goldbraunen Flüssigkeit funkelte es genauso wie in ihren Augen.
„Wenn du Lust hast – da drüben sitzen drei Freundinnen, die darauf brennen, dich kennenzulernen.“
Gabriel sah sich um. Die Frauen am Tisch blickten in seine Richtung. Eine von ihnen winkte ihm sogar zu. Aber er rührte sich nicht von seinem Barhocker.
Merrow lächelte verständnisvoll. „Na ja, das habe ich mir schon fast gedacht.“
Er hatte wirklich keine Lust auf Gespräche. „Ich weiß es sehr zu schätzen, Merrow …“
„Aber dir ist jetzt nicht nach einer Therapiestunde.“
„Nicht wirklich.“ Er lächelte
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