Collection Baccara Band 0297
Kinrowan, ihren Kummer zu vergessen. Und vielleicht schaffte sie es sogar, zumindest ein paar Stunden lang nicht an den Grund für ihre fluchtartige Abreise aus Chicago zu denken.
Am nächsten Morgen herrschte Ruhe im Palast. Ihr Bruder Daniel und seine Frau Erin saßen bei einem späten Frühstück auf der Veranda. Alexandra näherte sich ihnen in ihren Doc-Martens-Stiefeln – ihrem Markenzeichen –, Trekking-Shorts und einem überdimensionierten Pullover. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach dem vielen Essen gestern Abend schon wieder hungrig sein kann.“ Sie setzte sich und griff nach dem Teller mit Backwaren.
Erin lächelte sie an. „Ich denke, wir alle haben jede Menge Kalorien beim Tanzen verbrannt. Ich habe dich mit einem Dutzend verschiedener Männer auf der Tanzfläche gesehen.“
Alexandra zuckte mit den Schultern. „Ja, die Party war ganz okay.“
„Typisch Alexandra, so zu untertreiben.“ Daniel schüttelte den Kopf. „Ein Ball zu meinen Ehren im Schloss, und meine kleine Schwester sagt: ‚Die Party war ganz okay.‘“ Er lachte seine Schwester liebevoll an.
„Nun, ich habe doch recht“, entgegnete sie und kniff ihn freundschaftlich in die Wange. „Ich meine, ich habe ja schon einiges erlebt. Bei jedem großen Geschäftsabschluss hat Daddy halb Chicago eingeladen, um zu feiern.“
„Und ich erinnere mich dunkel an die Geburtstagsfeier eines kleinen Mädchens mit Ponyreiten und einem halben Dutzend Clowns aus dem Ringling Brothers Zirkus.“
Daniel machte sich über sie lustig, und sie hasste das. Wenn er damit andeuten wollte, dass sie verwöhnt war, dann stimmte es nicht. Es war nur so, dass es in einer Familie wie den Connellys schwer war, anders als im Luxus zu leben. Geld war nie ein Thema gewesen. Erst als Erwachsene hatte sie die Macht des Geldes – und vor allem den Fluch des Geldes – kennengelernt.
Geld hatte sie nicht glücklich gemacht. Vor allem hinderte es sie daran, wahre Liebe zu finden. Sie war vielleicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden, aber sie hatte immer an die Ehrlichkeit der Menschen geglaubt, vor allem zwischen zwei Menschen, die sich liebten.
Bis zu dem Tag vor ihrer Hochzeit war sie von Roberts Liebe überzeugt gewesen, denn er hatte ihr seine Liebe beteuert und sich auch so verhalten. Auch als ihr Bruder Justin sie vor einer Ehe mit Robert warnte, hatte sie nicht reagiert. Doch dann hatte sie zufällig eine Unterhaltung ihres Verlobten mit Jessy Weintraub, ihrer Trauzeugin, gehört. Da war eine Welt für sie zusammengebrochen.
„Das war ein Scherz, oder?“, fragte Erin. „Clowns aus dem Ringling Brothers Zirkus?“
„Nein, so war es wirklich. Mein Vater hat es gern bombastisch, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Geld spielte noch nie eine Rolle.“ Alexandra selbst empfand den Reichtum auch als Problem. Er verkomplizierte nicht nur ihr Liebesleben ungemein, er hinderte sie auch daran herauszufinden, wer sie wirklich war. Welche Daseinsberechtigung hatte sie? Welche Begabungen besaß sie, die sie mit der Welt teilen konnte und sollte?
Oder war sie einfach nur eine reiche junge Frau, die dazu bestimmt war, einen Mann aus ihren Kreisen zu heiraten, Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren … und zu wünschen, sie wäre jemand anderes?
Bisher wusste sie nur, dass Männer auf sie flogen. Männer wie Robert Marsh. Männer, die intelligent, attraktiv und erfolgreich waren. Kurz gesagt, Männer, die der Traum einer jeden Frau waren. Nur nicht ihrer. Denn für all diese Männer war sie nur eines – das Tor zu Reichtum und Erfolg. Grant Connelly als Schwiegervater zu haben bedeutete, Mitglied einer Familie zu sein, die ihren Reichtum gern teilte.
Einen Moment hatte sie die Vision von weißer Seide und einem perlenbestickten Mieder, von einem Schleier, der ihr Gesicht bedeckte und ihre heißen Tränen verbarg. Während der letzten Anprobe war sie zu ihrem Verlobten und ihrer besten Freundin hereingeplatzt. Was sich dann abgespielt hatte, war eine verschwommene Erinnerung. Schluchzend hatte sie sich das teure Kleid vom Körper gerissen und beschlossen, noch am gleichen Abend auf die Virgin Islands zu fliegen, nach China oder an den entlegensten Ort in Afrika. Und, nein, sie würde Robert nicht heiraten. Niemals!
Verbitterung und Wut kochten in ihr hoch und ließen erst nach, als sie an ihrem kühlen tropischen Saft nippte. Sie hätte die Zeichen erkennen müssen, hätte im Laufe der Jahre klüger werden sollen.
Weitere Kostenlose Bücher