Collection Baccara Band 0320
ich unnötig meine Zeit verschwendet habe“, antwortete sie und knallte den Hörer auf die Gabel.
Harris packte in aller Stille seine Sachen. Hotelbedienstete würden später kommen, um sich um seine Bücher zu kümmern und sie zusammen mit den anderen Gegenständen aus seinem Haus nach Bel Air zu schicken. An sein Zuhause zu denken verschaffte ihm jedoch nicht wie sonst Befriedigung.
Die Villa hatte einen paradiesischen Garten. Seine Angestellten hielten das Anwesen penibel in Ordnung und kannten ihren Platz. Sie stellten ihm keine Fragen über sein Liebesleben oder mischten sich ein, so wie Ray es tat. Er sollte sich eigentlich freuen, nach Hause zu kommen. Stattdessen fühlte er sich leer.
Warum?
Harris schaute sich in der Suite um. Ihm wurde klar, dass ihm diese Wochen in Orlando etwas gegeben hatten, das er vorher nie gehabt hatte. Etwas, von dem er nicht gewusst hatte, dass es ihm fehlte – bis er Sarah begegnet war. Er blickte sich ein weiteres Mal um und sah sie plötzlich überall. Sah die Couch, auf der sie im Dunkeln auf ihn gewartet hatte, während das Feuerwerk den Himmel erhellt hatte. Sah die Regale voller Bücher, über die sie diskutiert hatten. Sah die Tür zum Schlafzimmer. Die Schwelle, über die er sie getragen hatte, bevor er sie zum ersten Mal geliebt hatte. Noch nie war er jemandem so nah gewesen wie Sarah.
Er vermisste sie.
Aber nicht genug, um sein Herz für die Liebe zu öffnen. Sarah war davon überzeugt, dass er tiefe Gefühle für sie entwickelt hatte. Er wusste es besser. Liebe war nichts für ihn. Er hatte nie einem Menschen seine Liebe gestanden. Nicht einmal seinem Vater. Allerdings war sein Vater normalerweise auch an nichts und niemandem interessiert, der außerhalb seiner Penthouse-Wohnung existierte.
Ohne nachzudenken, nahm Harris sein Handy und wählte die Nummer seines Vaters. Der Butler Felix hob nach dem dritten Klingeln ab.
„Hier ist Harris. Kann ich meinem Vater sprechen?“
„Er leidet unter dem Wetter, Sir. Deshalb nimmt er derzeit keine Anrufe entgegen.“
Harris wollte auflegen, hielt dann jedoch inne. Er musste mit seinem Vater reden. Noch nie zuvor hatte er darauf bestanden. „Ich muss ihn wirklich dringend sprechen, Felix.“
„Sehr wohl, Sir. Ich werde sehen, was ich tun kann.“
Harris hörte Schritte und stellte sich den Weg vor, den der Butler mit dem Apparat entlangging. Durch den Flur mit dem Marmorfußboden und die mit Teppich ausgelegte Treppe hoch. Dann klopfte Felix an die Tür. Mit rauer Stimme forderte sein Vater den Butler auf, einzutreten. Harris fragte sich, ob so seine Zukunft ohne Sarah aussah.
Die Rolle der Eltern nahm Harris mittlerweile anders wahr. Er erkannte, dass seine Wahrnehmung sich durch Sarah verändert hatte. Sie war immer erreichbar für die Zwillinge. Auch wenn sie im Krankenhaus läge, würde sie noch einen Anruf von ihnen annehmen. Bei ihr standen die Menschen, die sie liebte, stets an erster Stelle.
Hatte das auch für ihn gegolten? Und würde er es wollen, dass ihr seine Bedürfnisse wichtiger als ihre eigenen waren? Jemand sollte Sarah an erste Stelle setzen. Nein, nicht irgendjemand. Er sollte es tun.
„Sir, Ihr Sohn ist am Telefon“, hörte er Felix sagen.
„Ich nehme heute keine Anrufe entgegen.“
So viel zu väterlichem Rat, dachte Harris.
„Er sagte, es wäre dringend“, fügte der Butler hinzu.
„Dringend?“ Die Stimme seines Vaters veränderte sich. Klang nicht mehr so düster wie vorher. Unwillkürlich überlegte Harris, ob er mit dem Anruf bei seinem Vater vielleicht zu lange gewartet hatte.
„Ja, Sir.“
„Ich nehme das Gespräch an. Bitte öffnen Sie die Vorhänge, bevor Sie hinausgehen.“
Das Öffnen der Vorhänge war ein bedeutender Schritt für seinen Dad. Wenn er nicht depressiv war, verbrachte er den Tag im Dachgarten. Dort kümmerte er sich dann um seine Rosen und legte sich in die Sonne. Doch sobald er wieder einen Schub erlitt, schloss er sich ein und sperrte die Sonne aus.
„Harris?“
Eine Welle der Zuneigung für seinen Vater durchströmte Harris. Trotz all seiner Schwächen war sein Dad immer für ihn da gewesen.
„Dad“, sagte Harris, „es tut mir leid, dich zu stören.“
„Was kann ich für dich tun?“
Das war sie, die Millionenfrage. Harris wusste nicht, wie er sie stellen sollte. Wie sollte er seinen Vater danach fragen, weshalb er sich von der Außenwelt abschottete? Wie sollte er erfahren, ob auch in ihm steckte, was seinen Vater kaputt gemacht
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