Collection Baccara Band 328
alles getan, worum Sie mich gebeten haben, ohne Fragen zu stellen. Ich habe Ihnen bedingungslos vertraut. Ich habe Sie nie getroffen, und ich kenne Ihren Namen nicht. Jetzt sind Sie an der Reihe, mir zu vertrauen. Ich bin nicht blöd. Wenn Sie mich hier nicht rausholen, dann landet dieses teure kleine Handy im nächsten Abwasserkanal, und Sie hören nie wieder von mir.“
„Okay. Ich bin um halb sechs, spätestens um sechs bei Ihnen. Halten Sie bis dahin durch? Schaffen Sie es nach Hause?“
Sie hatte ihren Verfolger vor drei Tagen bemerkt, doch bisher blieb ihr Beschatter auf Distanz. Allerdings hatte sie festgestellt, dass ihre Wohnung durchsucht worden war. „Ich versuche es. Aber wenn mir irgendetwas zustößt, dann sagen Sie meinen Eltern, dass ich sie liebe, in Ordnung?“
„Ihnen wird nichts passieren, Sie hysterische Person.“
Lucy beendete die Verbindung, bevor ihr etwas herausrutschen konnte, das sie bedauern würde. Hysterische Person? Hielt er sie für paranoid? Hatte sie nicht in den letzten Wochen bewiesen, wie wertvoll sie war? Casanova! Was für ein Deckname. Wer hatte sich den wohl einfallen lassen und warum?
Sie steckte das Handy in ihre Tasche und wollte gerade die Damentoilette verlassen, als ihr Blick in den Spiegel fiel. Sie sah aus wie eine Irre. Ihr welliges braunes Haar hatte sich aus dem strengen Knoten gelöst und kräuselte sich um ihr Gesicht, ihre Wangen waren wegen ihrer Panik gerötet, die Augen hinter den Brillengläsern blickten wirr vor Angst.
Lucy nahm sich fünf Minuten Zeit, alles zu ordnen, die Nase zu pudern und pinkfarbenen Lippenstift aufzutragen. Die Farbe schmeichelte ihr nicht, aber das war egal. Sie schminkte sich nur, weil sie eine leitende Stelle innehatte und die anderen weiblichen Führungskräfte es auch taten. Sie wollte keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Als sie sich hergerichtet und gesammelt hatte, verließ sie ihren Zufluchtsort und ging zu ihrem Büro, in der Hoffnung, die Tür schließen und sich den Rest des Nachmittags dort verkriechen zu können. Sie fürchtete zusammenzubrechen, falls sie sich noch mit irgendjemandem auseinandersetzen müsste.
Was bist du nur für eine Spionin, Lucy Miller, dachte sie, machst beim ersten Anzeichen von Gefahr schlapp.
Auf dem Gang stieß sie mit dem korpulenten Geschäftsführer der Bank zusammen.
„Oh, hallo, Lucy“, sagte er höflich. „Ich habe gerade nach Ihnen gesucht.“
„Entschuldigen Sie, ich war auf der Toilette. Ich fürchte, mir ist das Mittagessen nicht gut bekommen.“
Er musterte sie mit dem gesunden Auge. Das andere hatte er durch einen Unfall verloren. Unter seinem Blick begann ihre Haut zu kribbeln. Konnte er ihre Angst spüren?
„Sie sehen nicht gut aus“, stellte er fest. „Sie sind sehr blass. Ist alles in Ordnung?“
„Mir geht es gut, wirklich.“
Es sah ihm ähnlich, dass er besorgt war. Mr Vargov war ein freundlicher, väterlicher Mann, ein Freund ihres Onkels Dennis. Er hatte ihr diesen Job gegeben, als sie dringend eine Anstellung brauchte. Eigentlich war sie mit ihrem lächerlichen Bachelor in Finanzwesen und ohne jegliche Berufserfahrung nicht qualifiziert genug für den Job einer Rechnungsprüferin, doch sie hatte das Gefühl, trotzdem gute Arbeit zu leisten.
Zu gute, nach Meinung von Mr Vargov. Er hielt sie für zu gewissenhaft und nahm ihren Verdacht, dass Gelder veruntreut wurden, nicht besonders ernst. Deshalb hatte sie sich an das Ministerium für Innere Sicherheit gewandt. So hatte sie es mit Casanova zu tun bekommen.
„Warum nehmen Sie nicht den Rest des Nachmittags frei?“, schlug Mr Vargov vor.
„Oh, das geht nicht. Sie haben gesagt, dass Sie die Berichte …“
„Das kann warten. Ihr Onkel wird mir was erzählen, wenn er herausfindet, dass ich Sie zur Arbeit antreibe, obwohl Sie krank sind.“
„Danke, Mr Vargov. Vielleicht gehe ich wirklich etwas früher.“
„Tun Sie das.“
Womöglich ließ sich so der Mann austricksen, der ihr folgte. Sie hätte nichts dagegen, sich von diesem Job zu verabschieden. Als sie in der Bank anfing, hatte sie einen Platz gebraucht, um sich zu erholen und sich wieder zurechtzufinden. Alliance Trust hatte ihr den geboten. Ihre Kollegen waren nett, die Arbeitsbedingungen angenehm. Ihr Chef verlangte nicht zu viel von ihr, und sie verdiente mehr als es für jemanden in ihrem Alter und mit ihrer Erfahrung üblich war.
Es war an der Zeit, diese Episode hinter sich zu lassen. Sie würde die nächste Stunde
Weitere Kostenlose Bücher