Collection Baccara Band 329
Offensichtliche ausgesprochen hatte.
Sorgfältig lackierte Mia einen Nagel nach dem anderen. „Klang ganz danach, als würde deine Mutter sich wünschen, dass du sie besuchst“, meinte sie beiläufig.
Während ihres kurzen Zusammentreffens an der Uni hatte Mia John Crawford höflich, aber kühl erlebt. Seine schüchterne Frau schien sich immer ein wenig hinter ihm zu halten. Von einer gleichberechtigten Partnerschaft konnte damals keine Rede sein.
„Stimmt. Wir haben uns länger nicht gesehen. Nach meinem Abschied aus der Armee bin ich gleich nach Atlanta geflogen.“
Mia erwiderte nichts. Sie hoffte, die Stille würde Tanner ermuntern, mehr zu erzählen. Obwohl sie seinen Vater nur flüchtig kannte, konnte sie sich vorstellen, was „neutraler Boden“ bedeutete. Tanner hatte ihr oft genug gesagt, dass schon die beiden Crawford-Generationen vor ihm beim Militär gewesen waren. Außerdem wusste sie noch gut, wie viel Tanner an der Anerkennung seines Vaters lag. Mr Crawford war sicher nicht begeistert gewesen, als sein Sohn die Armee vorzeitig verlassen hatte. Wahrscheinlich interessierte er sich gar nicht für den Grund, sondern hielt Tanner für charakterschwach.
Er wusste, wie sein Vater reagieren würde, dachte Mia. Wenn er trotzdem gegangen ist, muss er wirklich keinen anderen Ausweg gesehen haben.
„Was ist das?“, fragte Tanner unvermittelt.
Mia drehte das Fläschchen mit dem Nagellack wieder zu. „Was ist was?“
„Auf deinem unteren Rücken. Ein Tattoo?“ Er klang ungläubig, kam näher und schob das Oberteil von Mias Pyjama ein wenig hoch, um den Schriftzug zu entziffern.
Sie schaute über ihre Schulter. „Warum überrascht dich das? Du bist doch nicht der einzige Mensch auf der Welt mit einem Tattoo. Hast du übrigens gehört, dass der Poe Toaster seit 2010 nicht mehr aufgetaucht ist?“
„Ja. Irgendwie traurig. Sieht so aus, als wäre die Tradition zu Ende.“
„Vielleicht lässt jemand sie im nächsten Jahr wieder aufleben. Ich hoffe es jedenfalls. Hast du ihn eigentlich jemals gesehen, wer auch immer es ist, der die Blumen an Poes Grab niederlegt? Das wolltest du doch früher.“
Tanner schüttelte den Kopf. „Ich hab mir leider nie die Zeit dafür genommen. Eine von den Sachen, die ich zu lange aufgeschoben habe.“
„Vielleicht schaffst du es ja nächstes Jahr. Wer weiß, möglicherweise stehen dann schon Poe-Fans Schlange, um die Tradition fortzuführen.“
Ihre Blicke trafen sich. Tanner lächelte schwach. „Könnte sein.“ Er betrachtete wieder Mias Rücken. „What’s past is prologue“ , las er langsam. „Shakespeare. Aus Der Sturm , oder?”
Er ist mir zu nah, dachte Mia beklommen. Zu sexy. Plötzlich fiel es ihr schwer, regelmäßig zu atmen. „Ja.“
„Hätte ich dir gar nicht zugetraut“, murmelte Tanner. „Wann hast du es machen lassen?“
„Kurz vor meinem Examen, sozusagen als vorzeitiges Geschenk an mich selbst.“
Seine Augen ruhten immer noch auf ihrem Rücken. „Die Vergangenheit ist erst der Anfang. Ich mag das Zitat. Es passt perfekt, wenn man im Leben ein neues Kapitel aufschlägt.“
Genau das war es für Mia gewesen. Ein neues Kapitel, nachdem Tanner sie abserviert hatte. Und wenn sie seinen Blick richtig deutete, ahnte er es. „Fand ich auch“, meinte sie nur.
Ich sollte ihm dankbar sein, weil er mir mein Tattoo in Erinnerung gerufen hat, dachte Mia. Er mag ja unglaublich attraktiv sein, aber ich darf nicht schwach werden. Sonst stehe ich wieder allein da – und ein zweites Mal will ich mich eigentlich nicht tätowieren lassen.
„Hör mal, Mia“, begann Tanner zögernd.
Sein reuevoller Unterton löste Panik in ihr aus. Sie wollte keine Entschuldigung hören. Hastig lehnte sie sich vor, um Abstand zwischen sie beide zu bringen. „Sieh nur.“ Sie zeigte auf den Fernseher. „ Während du schliefst läuft. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme! Ist es dir recht, wenn wir den anlassen?“
Er sah sie an, und einen Moment lang befürchtete sie, ihn nicht ablenken zu können. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge. „Ist das nicht so ein Frauenfilm?“
„Ja.“
Tanner seufzte resigniert. „Dachte ich mir.“
„Du kannst den nächsten Film aussuchen. Vorausgesetzt, es ist kein Porno.“
Er lachte. „Schade. Genau so etwas würde ich mir nämlich gern mit dir anschauen.“
„Du wirst es überleben“, entgegnete Mia gewollt locker. Die Frage ist nur, ob ich das hier überlebe, schoss es ihr dabei durch den Kopf.
9.
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