Collector
wurde sie auf diese Mission geschickt.«
»Klar. Das hat sie dir erzählt«, fügte Faye an. »Ich nehme nicht an, dass man ihr trauen kann.«
»Ich weiß es nicht. Dass sie als Reservoir für Nuria hätte herhalten sollen, traf sie schwer. So schwer, dass sie zur Verräterin geworden ist.« Er streichelte ihre Haut und war unsagbar glücklich. »Es wird viel Wahres in ihrer Geschichte liegen. Das reine Unschuldslamm kaufe ich ihr nicht ab. Dennoch ist sie die wichtigste Zeugin für die Verhandlung gegen den 20T.«
»Die VHR wird sich das hoffentlich trauen. Am Ende knicken sie ein, wetten?«
Kris schüttelte den Kopf. »Sie muss. Es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich habe kein Problem damit, zu Starlook oder einem anderen Nachrichtensender zu gehen.« Er wagte es, sich nach vorn zu beugen und ihrem Handrücken einen Kuss aufzudrücken. Eine andere Sache beschäftigte ihn jedoch. »Faye, ich komme bald wieder. Ingstrabur deutete an, dass es meinem Vater nicht gutgeht. Ich soll mich von ihm verabschieden.«
Sie nickte ihm zu und ließ seine Finger los. »Ich laufe dir nicht weg.«
Er stand auf und verließ ihr Zimmer mit den dünnen Plastikstoffwänden, winkte ihr durch den Vorhang und pries die Götter im Stillen, dass er eine Frau wie sie gefunden hatte. Keine künstlichen Pheromone der Welt würden gegen ihre Wirkung mehr ankommen. Jetzt mussten sie noch die Schlacht gegen die Collectors überstehen und Automaton Prime zur Rechenschaft ziehen. Wir haben uns noch gar nicht geeinigt, ob wir die Cortés nun nehmen oder nicht.
Kris öffnete die Schleuse und betrat die Isolationskammer.
Der Anblick seines Vaters machte ihn tief betroffen. Anatol sickerte das Blut nicht mehr nur aus den Körperöffnungen und Augen, es sammelte sich sogar auf der Haut. Er schwitzte es aus. Bot-Arme umkreisten ihn mit den typischen abrupten Bewegungen und tupften unablässig. Eine ganze Batterie Infusionsbeutel und -behälter hing über ihm, acht Schläuche führten zu ihm hinab. Die Nadeln lagen an den fixierten Armen, am Hals, sogar am Kopf. Die Haut war bleich, grau und faltig. Er sah aus wie ein Greis von achtzig Jahren und mehr; bemerkt hatte er den Besucher nicht. Anatol blickte ins Leere.
Wieder brach ein Wust von Gefühlen über Kris herein. Wut auf die Vergangenheit, weil er seine Familie im Stich gelassen hatte. Hass wegen des Verrats an der Menschheit, weil er den Samaritern, Collectors oder wie auch immer sie hießen, den Weg gezeigt hatte. Und - Mitleid.
Nein, das wirst du nicht von mir bekommen. Kris ballte die Fäuste und versuchte, sein Mitleid zu unterdrücken. Lieber wollte er sich an die seelischen Schmerzen erinnern, die ihm sein Vater zugefügt hatte, und an all das Leid, für das er die Verantwortung trug.
Es gelang ihm nicht.
Er ist schuld an dem Leid von Millionen von Menschen und dem Tod von ebenso vielen.
Kris gab nicht auf und drängte das Mitleid weg von sich, wollte Hass und Wut freien Lauf lassen.
Aber er erinnerte sich auch an die Berichte: Der Order of Technology hatte es letztlich zu verantworten, dass die Collectors abhängig von Menschenfleisch geworden waren. Nicht Anatol Lyssander. Er hatte den Fremden lediglich den schlechtesten Weg gewiesen, den man sich hatte denken können.
Früher oder später wären sie auf die Menschen gestoßen, sagte er sich. Es war ein dummer Zufall, dass er sie nach Hakup gelotst hatte. Doch so sehr Kris dies einsah und seine Wut auf seinen Erzeuger schwand, wollte ein Teil von ihm Anatol nicht verzeihen. Der Verrat an seiner Familie wog zu schwer.
»Ich danke dir«, sagte sein Vater leise und wandte sich zu ihm. »Ich danke dir, dass du zumindest versucht hast, mir zu verzeihen.«
»Du ... kannst meine Gedanken lesen?« Kris war vor Verwunderung zusammengezuckt.
»Nein. Die Wirkung des Neuroleptikums unterbindet es. Aber ich spüre deine Empfindungen.« Anatol lief das Blut über die Lippen, als gäbe es eine kleine Quelle hinter seinen gesprungenen, gelben Zähnen. Sofort surrte ein Bot-Arm heran und tupfte es weg, bevor es das Laken erreichen konnte. »Du kannst nicht ermessen, wie glücklich und erleichtert es mich macht.«
Kris trat näher, die Augen auf die Fesseln gerichtet.
»Die Anfälle wurden zu stark. Ich habe mich dabei verletzt und mir immer die Nadeln rausgerissen.« Er schluckte schwer. »Ich denke, ich werde nicht bis zur Schlacht durchhalten, Sohn.«
Das Mitleid schmolz schlagartig. »Du wirst dich nicht noch einmal vor
Weitere Kostenlose Bücher