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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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eigenen Spiegelbild her vertraut vorkam.
    Dein Bruder. Und was auch immer du dir gewünscht hast, auch ihn wirst du töten müssen.
    Als Peter den Hubschrauber betrat, sah er im vorderen und hinteren Teil der Kabine zwei bewaffnete Männer in Kampfanzügen. Auf ihren kugelsicheren Westen prangte das doppelte Kreissymbol, das Zeichen des Lichts. Ein Gedanke ging Peter bei dem Anblick durch den Kopf.
    Seth ist eitel.
    Ohne den Blick von Nikolas abzuwenden, ließ Peter sich von den Wachen abtasten und durchsuchen. Seine versteckten Notizen entdeckten sie dabei nicht. Als sie Nikolas nach der Durchsuchung zunickten, wies er Peter an, sich zu setzen und anzuschnallen.
    »Keine verbundenen Augen?«, fragte Peter.
    »Das wird nicht nötig sein. Von dort, wo wir hinfliegen, gibt es ohnehin kein Entkommen.«
    Peter hörte, wie der Pilot die Turbinen startete. Der Rotor setzte sich langsam in Bewegung.
    »Erklärst du mir, warum du das tust?«, fragte Peter, als er sich angeschnallt hatte. Die Männer in den Kampfanzügen verfolgten jede seiner Bewegungen.
    Nikolas sah ihn an. »Lassen wir das, Peter. Es ist so, wie es ist. Ich tue das nicht für mich.«
    Peter schüttelte den Kopf. Er hasste diesen Satz.
    »Du verdammtes Arschloch«, sagte er nur. Und dann fügte er noch hinzu: »Ich werde dich töten. Ich meine das nicht als Drohung, sondern als Tatsache. Ich werde es tun, obwohl du mein Bruder bist.«
    Nikolas zuckte nur mit den Schultern, wandte sich ab und schnallte sich auf der gegenüberliegenden Sitzreihe an.
    Sie flogen tief, immer dicht unter der Wolkendecke entlang, durchgeschüttelt von heftigen Winden, die immer mehr Wolken gegen die südliche Flanke des Himalaja trieben. Durch die Bullaugen des Helikopters sah Peter nur schlammbraune Täler, keine Berge. Erst als sie nach über zwei Stunden Flug in einem breiten Tal zur Landung ansetzten, riss die Wolkendecke kurz auf und gab für einen Moment den Blick auf den matterhornförmigen Gipfel des Annapurna frei, wie um ihm ein Zeichen zu senden, dass es vielleicht noch Hoffnung gab.
    Denk nicht mal dran. Konzentrier dich auf deine Aufgabe.
    Der Landeplatz lag in der Nähe eines kleinen und ebenso schlammfarbenen Dorfes. Nikolas und zwei Wachen begleiteten ihn zu einem Landrover, der sich röhrend durch die aufgeweichten Straßen quälte und dann bergauf in die Wolken. Milchiges Grau verschluckte den Wagen, es wurde kühl. Peter trug die Firmenkleidung, die man ihm an Bord von Nakashimas Airbus gegeben hatte. Eine hellbraune Cargohose, ein T-Shirt, einen dünnen Fleecepullover, feste Schuhe und eine leichte, blaue Regenjacke mit dem Firmenlogo von Nakashima Industries. Er spürte, wie klamme Feuchtigkeit durch alle Ritzen hindurch in den Wagen kroch, bis unter seine Kleidung, bis unter die Haut. Peter hoffte, dass seine Notizen trotz der Feuchtigkeit lange genug lesbar blieben. Nikolas dagegen schien weder zu frieren, noch irgendeine Notiz vom Wetter zu nehmen. Er saß vorne neben dem Fahrer und starrte abwesend geradeaus. In seinem Anzug und dem Trenchcoat wirkte er wie ein Fremdkörper in dieser Landschaft.
    Nein, du bist der Fremdkörper. Ein Fremdkörper in deinem eigenen Leben.
    Auf dem Weg kamen sie an einer Gruppe buddhistischer Mönche in rostroter warmer Kleidung vorbei, die ihnen kurz nachblickten wie einem vertrauten Bergspuk. Ansonsten sah Peter außer ein paar zerfledderten Gebetsfahnen am Wegrand keinerlei Anzeichen von Menschen. Nach weiteren zwei Stunden ruckelnder, qualvoller Fahrt auf schlammigen Serpentinenwegen passierten sie endlich ein Tor mit dem Firmenschild einer amerikanischen Minengesellschaft. Dahinter erhob sich ein altes, verlassenes buddhistisches Kloster, eng an den Berg gepresst, als würde es aus dem Fels wachsen. Davor ein paar schmutzige Lkws und Landrover. Hinter dem Klostergebäude erkannte Peter eine große Öffnung im Fels, breit genug für zwei Lastwagen. Peters Schätzung nach mussten sie sich auf knapp dreitausend Metern Höhe befinden. Der Landrover fuhr direkt durch die große Öffnung in den Berg hinein und hielt nach knapp fünfzig Metern vor einem Minenaufzug, der sie überraschenderweise nicht in die Tiefe, sondern nach oben beförderte. Die ganze Zeit über noch kein Wort von Nikolas. Erst als der Aufzug mit einem scharfen Ruck hielt, wandte er sich wieder an Peter.
    »Wir sind da. Du betrittst jetzt das Heiligtum. Das Zentrum des Lichts.«

XLVII
    11. Juli 2011, Via Corinaldo, Rom
    D ie Anwohner der umliegenden Häuser

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