Collector’s Pack
Gallerte. Je mehr du dich bewegst, um an der Oberfläche zu bleiben, desto schneller versinkst du. Treibst ab. Tust du längst. Da ist ein Sog aus der Tiefe, der an dir zieht, unaufhaltsam. Und unaufhaltsam pflanzt sich jede Bewegung fort, schlägt Dellen und Wellen, verbindet Worte und Orte, löscht Stunden und Wunden, füllt Räume und Träume. Tummtumm. Tummtumm. Die Zeit ist ein endloses Dehnen und Sehnen. Halt dich nicht fest, lass los, sie wartet auf dich. Die Zeit ist ein blaues Versprechen. Die Zeit ist kein Oben und Unten.
Und.
Plötzlich.
Berühren.
Deine.
Füße.
Festen.
Grund.
Als er wieder zu sich kam, war Maria verschwunden. Es war dunkler um ihn herum, der Kokon pulsierte nur noch schwach und trübe, als schlafe das Wesen darin nun.
»Maria?«
Keine Antwort. Peter erhob sich, wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen sein mochte, und suchte die Höhle nach ihr ab. Mit seinen nackten Füßen trat er in etwas Feuchtes. Eine klebrige Pfütze, die den ganzen Boden zu bedecken schien. »MARIA!« Peter brüllte jetzt in Panik, stolperte, fiel in die klebrige Substanz am Boden, rutschte erneut aus und suchte weiter. Er stieß jedoch nur auf die Metallkiste mit den Amuletten. Das mit dem Kupferzeichen fehlte. Marias Amulett.
»MARIA!«
Er schlug seine Fäuste in das zähe, ledrige Gewebe des Kokons, ohne etwas zu bewirken. Selbst seine bionische Hand richtete nicht viel aus. Aus welchem Material auch immer der Kokon bestand – es war zäh und schützte das Wesen darin wie …
Eine Mutter.
»Was hast du mit Maria gemacht?«, brüllte Peter. »Wo ist sie?«
Keine Antwort. Das pulsierende Licht veränderte sich nicht einmal. Als habe das Wesen beschlossen, ihn fortan zu ignorieren.
Weil es dich nicht mehr braucht. Weil dein Vater dich reingelegt hat.
Und ihm wurde ebenfalls klar, dass er selbst Maria dem Wesen in dem Kokon überlassen hatte. Denn wenn Seth sie hatte gehen lassen, dann nur, weil er noch Pläne mit ihr hatte. Ein furchtbarer Gedanke nahm Gestalt an.
Seth hat die Tätowierung entschlüsselt, während du geschlafen hast.
Peter starrte wieder auf die klebrige Flüssigkeit. Obwohl der Kokon intakt war und man in dem pulsierenden Glimmen im Innern noch immer eine undeutliche Gestalt erkennen konnte, wurde Peter plötzlich bewusst, was passiert sein musste. Irgendwie hatte sich das Wesen in dem Kokon mit Maria verbunden. Und nun war es in Marias Gestalt unterwegs, um sich Bar Rabbans Truhe zu holen. Stöhnend krampfte Peter sich zusammen.
»MARIA!«
Er schrie ihren Namen gegen die Höhlenwände, rasend vor Verzweiflung und Wut. Aber keine Spur, kein Zeichen, nicht der Hauch eines Duftes. Das Einzige, was er fand, war eine weitere Öffnung im Fels am anderen Ende der Höhle. Ein schmaler Durchschlupf, der tiefer in den Berg hineinführen mochte.
Oder hinaus.
Als Peter ein wenig in die Öffnung hineinkroch und wieder nach Maria rief, spürte er einen schwachen Luftzug. Wie den Nachhall einer fernen Antwort. Er überlegte, ob er den Versuch wagen und dem Gang folgen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Zum einen war gar nicht sicher, dass Maria diesen Weg genommen hatte, zum anderen war er hier noch nicht fertig. Er trat wieder an den Kokon und dachte an den zähen blauen Krümel unter seinem Fingernagel.
Vielleicht deine letzte Chance.
Nein, dafür war es noch immer zu früh, entschied er. Zuvor musste er endlich ein Versprechen einlösen, dass er vor fast dreißig Jahren gegeben hatte. Also zog er seine blutbefleckten Sachen wieder an, nahm die Metallkiste mit den sechs Amuletten an sich und ging den Gang mit den blauen Leuchtstreifen zurück, durch den er die Höhle betreten hatte.
Nikolas erwartete ihn hinter der Schleuse. Er war allein.
»Komm mit«, sagte er und führte ihn in einen kleinen Raum, der aussah wie eine Teeküche in einem deutschen Provinzkrankenhaus. Ein Fremdkörper in dem strengen Laborkomplex. Ein unwirklich gemütlicher Raum mit einem alten Kühlschrank, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Kekskrümeln und Kaffeerändern auf dem kleinen Tisch und einem ausgefüllten Urlaubsplaner mit Werbeaufdruck an der Wand. Plastikstühle. Ein Radio. Es roch nach Putzmitteln, in der Spüle warteten bunte Kaffeebecher darauf, endlich gespült zu werden. Peter wusste genau, wo er war. Die Marke der Kekse, sogar die Handschrift in dem Urlaubsplaner stimmte. Nur die angepinnten Postkarten fehlten.
»Der Raum ist abhörsicher«, sagte Nikolas. »Ich habe ihn selbst
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