Collector’s Pack
dich!«
»Ich weiß«, sagte Peter ruhig. »Deswegen müssen wir vorher noch was anderes tun.«
Nikolas sah ihn fragend an. Peter hielt ihm seine beiden Unterarme hin, auf denen die Ausläufer seiner Tätowierung zu sehen waren. Nikolas verstand nicht. Peter deutete auf die Stellen in der Tätowierung, wo er sich selbst mit Kugelschreiber einige Notizen hinterlassen hatte. Zwischen den Strichen und verschlungenen Linien standen gekritzelte henochische Schriftzeichen und Symbole.
»Ich werde dich vorher von deinem Dämon befreien«, sagte Peter. »Endgültig. Du musst es aber auch wollen.«
LIII
12. Juli 2011, Kloster Tengboche, Nepal
I n ihrer Starre gefangen, schienen Marina und der junge Mönch einen furchtbaren Kampf auszutragen. Manchmal röchelten sie leise, atmeten schwer und sanken dann wieder zurück in die Nacht ihres katatonischen Zustands. Bühler musste an Leonies Albträume und den Anblick der gekreuzigten Frau in dem Kölner Apartment denken. Er bezweifelte langsam, dass es irgendwem gelingen würde, Marina und den Jungen aus ihrem Limbus zurückzuholen, solange der Löwenmann sie gefangen hielt.
»Sie lagen offenbar nicht weit voneinander entfernt«, erklärte Ba Sangye Dorje. »Es schien fast, als hätten sie sich da getroffen. Sie waren beide stark unterkühlt.«
»Können Sie mir die Stelle zeigen?« Bühler lud die topographische Karte auf sein Smartphone.
»Da ist eine Hochweide«, sagte der Abt und tippte auf eine Stelle auf dem Display, wo ein Bauer Marina und den jungen Mönch gefunden hatte. Die Stelle lag auf knapp dreitausend Metern Höhe, aber weit abseits des verlassenen Klosters Namgung. »Wir hatten seine Almosenschale zuvor an einer Gebetsstelle auf dem Pfad gefunden und uns erst einmal keine Sorgen gemacht«, berichtete der Abt weiter. »Ang Lhakpa Gyaltsen ist ein kluger Junge, aber eigensinnig.«
»Was hat er da oben gesucht?«, fragte Bühler.
»Vielleicht das hier.« Der Abt griff nach einer Hand des Jungen, die er zu einer Faust geschlossen hielt, und öffnete sie behutsam. In der Handfläche lagen zerquetschte Edelweißblüten. »Sie wachsen da oben auf der Hochweide.«
Bühler pickte die weißen Blütenteile vorsichtig aus der Hand des Jungen. Etwas anderes als die seltene alpine Blume hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Eine kleine, kreisförmige Brandwunde verunstaltete die Handfläche des Jungen. Bühler erkannte das Zeichen sofort.
»Sagt Ihnen das Zeichen etwas?«, fragte der Abt.
Bühler nickte. »Hatte er sonst etwas dabei? Eine Art Amulett vielleicht? Blau.«
Ba Sangye Dorje schüttelte den Kopf. »Was für ein Amulett?«
Bühler ging nicht auf die Frage ein und überlegte, ob er sich sofort zu dieser Hochweide aufmachen sollte, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Das Gebiet war zu weitläufig, und bei dem Monsun würde er ohne eine genauere Ortsangabe da oben nur ziellos herumirren.
»Hat einer von den beiden noch irgendetwas gesagt?«
»Als wir seine Faust zum ersten Mal geöffnet haben, hat Ang Lhakpa etwas gemurmelt. Einen Namen.«
»Was für einen Namen?«
»Den Namen eines Mädchens aus dem Dorf unten. Sie heißt Dawa Zangmo. Ich glaube, Ang Lhakpa ist in sie verliebt.«
Bühler legte die zerdrückten Edelweißblüten vorsichtig zurück in die Hand des Jungen. Wie mechanisch schlossen sich die Finger daraufhin wieder zur Faust. Bühler wandte sich an den Abt.
»Bringen sie dieses Mädchen hier rauf.«
Der Abt schüttelte den Kopf. »Nicht vor morgen früh bei dem Monsun. Wenn ihre Eltern sie überhaupt gehen lassen, dann wird es Stunden dauern, bis das Mädchen hier ist.«
Bühler sah den Abt eindringlich an. »Wenn Sie wollen, dass der Junge eine Chance hat zu überleben, dann schaffen Sie gefälligst dieses Mädchen hier rauf! Sofort!«
Als das Mädchen im Kloster eintraf, war es längst dunkel. Zum Glück hatte das Wetter zwischenzeitlich aufgeklart. Das Mädchen war hübsch, fand Bühler. Ein rundliches Gesicht mit roten Wangen und vollen Lippen. Sie hatte kluge Augen, die Bühler sofort neugierig musterten, als man sie in den Schlafsaal brachte. Er las keinerlei Angst in ihrem Blick. Kein Wunder, dass der junge Mönch sich in sie verliebt hatte. Bühler schätzte sie auf nicht älter als fünfzehn, dennoch wirkte sie wie eine junge Frau, die wusste, was zu tun war.
Bühler öffnete die Faust des Jungen und ließ die zerkrümelten Edelweißblüten in ihre Hand rieseln. Dann zog er sich zurück, und Dawa Zangmo hockte sich neben
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