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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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hat noch was anderes gemacht.
    Peter schloss die Augen. Der Blutverlust und die Erschöpfung ließen das Bild seltsamerweise viel klarer hervortreten. Er sah seinen Vater, ganz nah. Er war nicht sein leiblicher Vater gewesen, aber er hatte versucht, seine Frau und die Zwillinge zu retten, die man ihm übergeben hatte, und seine einzige Waffe waren Worte gewesen. Aber nicht die Worte der henochischen Rufe sondern …
    … das Gebet!
    Ein altes, hymnisches Gebet, das Menschen vermutlich über Jahrtausende in unzähligen Sprachen weitergegeben und verändert hatten. Worte der Gnade und der Liebe, die ihre Magie durch alle Zeiten und Sprachen hinweg bewahrt hatten. Peter erinnerte sich plötzlich wieder an jedes einzelne. Also nahm er das Amulett in die Hand, atmete durch und sprach das alte Gebet nach, Perle für Perle.
     
    Denn ich bin die Erste und der Letzte.
    Ich bin die Hure und die Jungfrau.
    Ich bin die Mutter und die Tochter.
    Ich bin der Sohn und der Vater.
     
    Denn ich bin die Erste und der Letzte.
    Meine Frucht wird nicht welken.
    Denn ich bin das Wort aus der Tiefe.
    Ich bin das Licht der Achtheit und der Neunheit.
     
    Denn ich bin die Erste und der Letzte.
    Ich bin herausgerissen aus meinem Geschlecht.
    Das Licht riss mich fort zur leuchtenden Wolke.
    Zum Körper der Finsternis.
     
    Denn ich bin die Erste und der Letzte.
    Ich warf ab die Last der Wolke.
    Denn ER war schlecht, da ER nicht rein war.
    Denn Böses kann keine gute Frucht hervorbringen.
     
    Denn ich bin die Erste und der Letzte.
    Ich bin die Stimme der Liebe.
    Ich bin aufrechter Verstand, unberührbares Wort.
    Ich bin ‘Ma.
    Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Nikolas sich in Krämpfen auf dem Stein wand. Das Licht aus dem Kokon pulsierte jetzt lebhaft und unregelmäßig. Das Wesen darin schien sich zu bewegen, gefangen in seiner Hülle. Nikolas würgte, ohne jedoch etwas zu erbrechen. Die beiden Amulette von seiner Stirn und seiner Brust waren auf den Boden gefallen, aber die beiden anderen hielt er immer noch fest umkrampft in den Händen. Ein gutes Zeichen.
    Peter verlor keine Zeit. Er kniete sich neben seinen Bruder und fasste seinen Kopf mit beiden Händen.
    »Schau mich an!«
    Nikolas’ Blick flackerte, glitt weg, irrte wie verloren durch den Raum.
    »Schau mich an, Nikolas!«
    Peter konnte sehen, wie viel Anstrengung es seinen Bruder kostete. Aber dann schienen seine Augen ihm zu gehorchen, und er konnte Peter ansehen.
    »Ich bin bei dir, Niko«, flüsterte Peter, presste seinen Mund auf den seines Bruders und atmete tief ein. Ein Kuss von Bruder zu Bruder. Nikolas riss die Augen auf, als ob er ersticke, doch Peter hielt seinen Kopf weiter fest, atmete aus und wieder tief ein, vermischte seinen Atem mit dem seines Bruders, ein Leben gegen das andere. Nikolas zuckte, versuchte, sich zu wehren. Peter brauchte die ganze Kraft der bionischen Hand, damit er ihm nicht entglitt, und atmete wieder ein. Beim dritten Atemzug spürte er, wie etwas in den Tiefen von Nikolas’ Körper aufgewirbelt und hochgespült wurde. Eine Art Klumpen, der sich auflöste, in Nikolas’ Lungen strömte, zu Atem wurde und dann weiter aufstieg und sich mit seinem Atem vermischte. Peter musste sich überwinden, den nächsten Atemzug zu tun. Als er erneut tief einatmete, spürte er, wie er dieses Etwas damit aus Nikolas heraussaugte. Es löste sich aus dem Körper seines Bruders und schoss mit seinem Atem in Peters Körper, wie eine Schlange, die sich plötzlich wehrte. Eine Art zäher Dunst ohne Farbe, Geruch oder Substanz.
    Das Gift der Seele.
    Das pure Böse.
    Peter atmete es ein, wieder aus und wieder ein. Wieder und wieder. Der Dunst löste sich, verwirbelte zwischen ihnen, zerriss wie fauliges Gewebe und ließ sich schließlich ganz von Peter einatmen. Erst als Peter sicher war, dass er diesen Dunst vollständig abgesaugt hatte, ließ er den Kopf seines Bruders los. Stöhnend sackte er auf den Boden zurück und übergab sich.
    Als er wieder zu sich kam, sah er, dass der Kokon gleichmäßig pulsierte, als habe er sich wieder beruhigt. Nikolas kniete neben ihm.
    »Wie geht es dir?«
    Peter hustete wie ein Kettenraucher am Morgen und spuckte blutigen Schleim. »Geht so. Und bei dir?«
    »Ich fühle mich … leichter.«
    »Na bitte.« Peter hustete wieder. »Hat doch geklappt.«
    »Gar nichts hat geklappt, du Idiot!«, fuhr Nikolas ihn unvermittelt an. »Es ist immer noch da. Jetzt hast du es eben. Wo ist der Unterschied?«
    Peter richtete sich auf

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