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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Ang Lhakpa, der vor ein paar Tagen losgezogen war, um für sie Blumen zu pflücken. Bühler konnte nicht sehen, ob sie weinte, aber als sie sich plötzlich erhob und um ein Tuch und eine Schale mit Wasser bat, sah er, dass ihre Augen gerötet waren. In diesem Augenblick glaubte Bühler, dass der Junge tatsächlich eine Chance haben könnte. Und vielleicht auch Marina.
    Das Mädchen betupfte die Stirn des Jungen mit dem feuchten Tuch. Eine rührende Geste. Die ganze Zeit sprach sie leise mit ihm, ein ruhiger Strom von Worten, mit dem die Liebe langsam zurück in Ang Lhakpas erstarrten Körper sickerte.
    Der Anblick der beiden jungen Menschen machte Bühler verlegen. Er verließ den Schlafraum und aß unten im Speisesaal allein einen Teller Dhal , den ihm ein Novize brachte. Die Mönche selbst aßen nach dem Mittag nichts mehr. Sie brachten ihm eine Schlafmatte und Decken. Und Bühler schlief und träumte von Alessia Bertoni, die in seinen Armen gestorben war, vom Löwenmann, von Edward Kelly, von einem Dorf mit verbrannten Kinderleichen im Sudan und von seiner kleinen Schwester Leonie.
    Als der Abt ihn weckte, ging draußen gerade die Sonne auf. Es war kalt.
    »Er hat zu ihr gesprochen.«
    Bühler war sofort hellwach. »Was hat er gesagt?«
    »Kommen Sie.«
    Ba Sangye Dorje brachte ihn in den Schlafsaal, wo Marina und der junge Mönch noch genau so lagen wie am letzten Abend. Dawa Zangmo hockte neben dem Jungen und wirkte blass. Als der Abt sie aufforderte, zu berichten, was geschehen war, sprach sie jedoch fest und deutlich.
    »Es ist passiert, als ich seine Hand gehalten habe«, übersetzte der Abt. »Es kam ganz plötzlich.«
    »Was hat er gesagt?«, fragte Bühler.
    »Er hat nichts gesagt, aber als ich seine Hand hielt, habe ich auf einmal alles gesehen, was er gesehen hat.« Dawa Zangmo erschauderte kurz, riss sich aber sofort wieder zusammen. Bühler dachte daran, wie verzweifelt und verstört seine kleine Schwester immer aus ihren Albträumen aufschreckte, und bewunderte das Mädchen für ihre Selbstbeherrschung.
    »Er wollte ein Edelweiß für mich pflücken«, fuhr sie fort und strich sich verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn. »Dabei hat er dann diese Höhle entdeckt, wo dMu , der Dämonenkönig, lebt. Ich möchte bitte nicht über das reden, was Ang Lhakpa Gyaltsen in der Höhle gesehen hat. … aber er hat mir gezeigt, wo sie sich befindet.«
    Das Mädchen bat um Papier und Stift und fertigte eine kleine Zeichnung der Stelle an. Sie konnte gut zeichnen, Bühler erkannte eine Hochalm zwischen rauen Gipfeln. Und den Eingang einer Höhle.
    Eine halbe Stunde später hatte er das M16 zusammengebaut und war unterwegs. In der Außentasche seines Rucksacks steckten zwei Pfund Plastiksprengstoff. Genug, um Edward Kelly, den Löwenmann, den Dämonenkönig dMu oder wer auch immer in dieser Höhle leben mochte, wegzublasen. Denn genau das hatte Urs Bühler vor.

LIV
    13. Juli 2011, Annapurnamassiv, Nepal
    E s war sein Blut, das da auf Nikolas’ Körper perlte wie eine lange verschlossene Quelle, die man endlich geöffnet hatte.
    Dein Blut.
    Der Schnitt war tief gewesen, der Schmerz pumpte in Stößen durch seinen Arm, und mit ihm perlte und tropfte sein Blut aus der klaffenden Wunde. Sein Leben. Peter hielt den Arm ausgestreckt über seinen Bruder, der nackt auf dem Opferstein vor dem Kokon lag, auf dem er wenige Stunden zuvor noch mit Maria geschlafen hatte. Nikolas selbst hatte die Stelle gewählt, da sie dort sicher vor den Wachen waren, die durch Seths Zentrale patrouillierten. Peter war zunächst nicht wohl bei dem Gedanken gewesen, den Exorzismus genau vor dem Kokon durchzuführen, aber Nikolas versicherte ihm, dass das Wesen darin nun schlafe, solange ein Teil von ihm in Marias Körper unterwegs war. Tatsächlich hatte sich das Pulsieren aus dem faserigen Gewebe auf dem achteckigen Stein seit Stunden kaum verändert. Peter konnte nur erkennen, dass es ein wenig schneller wurde, als wenn das, was sie da taten, in seine dumpfen, furchtbaren Träume vordringe, ohne es jedoch zu wecken.
    Peter achtete darauf, sein Blut gleichmäßig über Nikolas’ Körper zu verteilen, zum vierten Mal in den letzten Stunden. Obwohl es bei jedem Durchgang nie viel war, machte sich der Blutverlust allmählich bemerkbar. Peter war zu Tode erschöpft, immer wieder wurde ihm zwischendurch übel und schwarz vor Augen. Er taumelte, sprach nur noch schleppend und hatte schrecklichen Durst. Jeder Durchgang nahm alleine Stunden in

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