Collector’s Pack
Sie warten sollen, bis wir eintreffen. Aber wie ich sehe, sind Sie fündig geworden, Schwester Maria.«
Er wollte nach der kleinen hölzernen Truhe greifen, die sie immer noch festhielt, doch Maria zog sie instinktiv weg.
»Ich nehme sie«, sagte Nakashima und trat vor. »Wie vereinbart.«
Maria sah ihren Vater fragend an. Er wich ihr nicht aus, wirkte nur unendlich traurig und müde. Das gefiel ihr sogar. Sie dachte an das, was sie unten in der Grube erlebt hatte.
»Wie geht es dir?«
Sie verstand, was er meinte. »ER ist weg«, sagte sie.
»Wo hast du das Amulett?«
»Ich habe es für die Truhe eingetauscht.«
Ihr Vater nickte. »Dann musst du Mr. Nakashima jetzt die Truhe geben, Maria. So ist es vereinbart.«
»Das kannst du nicht tun, Papa. Du weißt, was das bedeutet.«
»Es tut mir leid, Maria. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Wenn Sie gestatten.« Nakashima schien die Geduld zu verlieren und nahm ihr die Truhe nun entschlossen aus der Hand.
Und Maria ließ los.
»Vorsicht!«, sagte sie. »Das Holz ist sehr alt und morsch.«
»Keine Sorge«, sagte Nakashima und legte die Truhe vorsichtig in einer mit Schaumstoff ausgepolsterten Transportkiste ab. Ohne die Truhe zu öffnen, setzte er den Deckel auf die Kiste und verriegelte ihn.
»Wollen Sie nicht nachsehen, was sich in der Truhe befindet?«, fragte Maria.
»Nicht hier.«
Nakashima wandte sich an ihren Vater und Petrus II. »Meine Herren. Dann werde ich die Truhe jetzt wie vereinbart an mich nehmen.« Er wandte sich an den Papst. »Sobald Laurenz Ihnen den Schlüssel übergeben hat, werden wir uns treffen und die weiteren Schritte gemeinsam vornehmen.«
Maria sagte nichts, starrte ihren Vater nur an, der ebenfalls angespannt wirkte, als erwarte er noch etwas.
»So weit alles klar, meine Herren?«, fragte Nakashima.
»Absolut«, sagte Edward Kelly, zog eine Waffe und feuerte ohne Vorwarnung auf Nakashima. In die Brust getroffen, brach der Japaner sofort zusammen. Maria schrie auf, während Kelly herumschwenkte und auf ihren Vater schoss. Petrus II. fiel ihm jedoch in den Arm. Der Schuss ging in den Nachmittagshimmel.
»Das reicht, Kelly!«, herrschte ihn der Papst an.
»Nein, Meister. Laurenz blufft doch nur. In diesem Augenblick ist Al Husseini mit dem Schlüssel bereits auf dem Weg nach Mekka. Wir haben alles, was wir wollen. Wir brauchen die beiden nicht mehr.«
Unvermittelt schlug Petrus II. Kelly mit einer Faust ins Gesicht. Maria hörte, wie sein Nasenbein brach.
»Wie sprichst du eigentlich mit mir?«, brüllte der Papst. »Ich bin dein Meister! Ich bin Seth!«
Kelly hielt sich die blutende Nase und nuschelte eine Entschuldigung. Der Papst entriss ihm die Waffe und richtete sie auf Maria und ihren Vater. Etwas flackerte in seinen Augen, das Maria nicht deuten konnte.
»Los, da rüber in die Hütte!«, rief Petrus II. »Machen Sie schon.«
Maria wechselte einen Blick mit ihrem Vater und gehorchte.
In der Hütte mussten sie sich von Kelly fesseln lassen, während Cresswell den angeschossenen Nakashima hereinschleifte. Der Japaner lebte noch, war aber kaum bei Bewusstsein und blutete stark.
»Sie haben verloren, Laurenz«, sagte der Papst. »Ich muss Sie gar nicht mehr töten. Wenn man Sie hier findet, ist längst alles entschieden.«
Damit wandte er sich ab und verließ die Hütte. Edward Kelly kontrollierte noch einmal die Fesseln. Dann beugte er sich lächelnd zu Maria herab. Seine gebrochene Nase blutete noch leicht. Marina konnte Kellys säuerlichen Atem riechen und den strengen Geruch nach Baldrian, den er verströmte.
»Ich habe noch eine kleine Überraschung«, flüsterte er und zog etwas aus seiner Jackentasche. Ein kleines Döschen, das er in Sichtweite auf dem langen Tisch abstellte. Als er es öffnete, glomm eine blaue Leuchtdiode darin auf. Und direkt davor lag eine kleine Glasampulle, wie Maria sie zuletzt in der Nekropole unter dem Vatikan gesehen hatte. Die Sprengkraft des Roten Quecksilbers würde ausreichen, um die ganze Insel im Meer versinken zu lassen.
»Mit schönen Grüßen von meinem Bruder«, sagte Kelly kalt.
LXVII
14. Juli 2011, Jerusalem, Israel
M arina wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie aus dem ›Seelenbrunnen‹ stieg. Sie wartete nur, bis sie halbwegs abgetrocknet war, zog sich zügig an und verließ die Grotte, ohne sich noch einmal umzuwenden. In ihrer rechten Hand hielt sie das, was sie dort unten in der Tiefe erhalten hatte.
Der Abend senkte sich bereits über Jerusalem.
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