Collector’s Pack
mit Fahrerflucht aus. Die Untersuchungen wurden erstaunlich rasch eingestellt.«
»Woher wollen Sie das …«
»Das ist vorläufig alles, was ich habe. Das und dieses Foto.« Er legte ein altes, rötlich verblichenes Farbfoto auf den Tisch. Ein Foto, das Peter noch nie zuvor gesehen hatte.
»Wir müssen davon ausgehen, dass Ihre Eltern für Seth gearbeitet haben. Vielleicht mussten sie sterben, weil sie aussteigen wollten. Helfen Sie mir, Peter, und ich werde Ihnen helfen, die Wahrheit über Ihre Herkunft herauszufinden.«
Wie etwas Giftiges nahm Peter das Foto in die Hand. Es war nicht richtig scharf, aber Peter erkannte sofort den Leuchtturm im Hintergrund aus seinen Albträumen wieder. Aus dem Abgrund des Vergessens wehte ein schwacher Lufthauch zu ihm herauf.
Doch, du kennst dieses Foto. Woher kennst du dieses Foto?
»Wo, zum Teufel, haben Sie dieses Foto her?«
Laurenz zögerte. »Von den französischen Behörden. Es lag seltsamerweise bei den Untersuchungsakten.«
Peter tippte auf den blonden Jungen in der Mitte.
»Bin ich das?«
»Nein, das ist Ihr Bruder Nikolas. Sie haben das Foto gemacht.«
Das Foto. Ein heiteres Bild, wie aus dem Urlaub. Ein Volvo vor einem Deich und einem Leuchtturm, irgendwo in Norddeutschland. Sommerwetter. Ein paar Deichschafe waren zu sehen. Vor dem Wagen ein lachendes junges Paar, zwischen ihnen ein etwa fünfjähriger Junge, der verlegen in die Kamera grinste. Peter erkannte die Frau, die er in seinen Albträumen oft mit brennenden Haaren sah, sofort wieder.
Deine Mutter.
Eine schöne Frau mit einem verhaltenen Lächeln, als erwarte sie noch irgendein Unglück. Doch das, was Peter an dem Foto wirklich schockierte, war der Mann neben ihr. Der Mann, der angeblich sein Vater war. Ein Mann mit blasser Haut und roten Haaren. Peter erkannte sein Lachen und auch seine Augen wieder, die nie mitlachten, die leichte Arroganz in seinem Ausdruck und auch schon den Anflug jenes Wahnsinns, den Peter später auf einer Festungsinsel im Mittelmeer an ihm erlebt hatte.
Schmerz ist Ordnung. Hass ist der reine, ewige Körper des Lichts. Wir sind der Atem des Lichts.
Peter starrte auf das Foto. Er spürte einen pulsierenden Druck in der Schläfe und presste die Hand dagegen.
»Das ist nicht wahr!«, ächzte er. »Das da ist nicht mein Vater.«
Ein seltsamer Geschmack in seinem Mund. Baldrian und Lavendel. Der Druck in seinem Kopf nahm zu, bündelte sich zu einem Wurm, der sich durch seine Schädeldecke bohrte.
»Erkennen Sie ihn wieder?«, fragte Laurenz.
Peter nickte. Natürlich kannte er diesen Mann. Der Mann, der Ellen getötet hatte.
Der Schmerz ist das Licht in der Dunkelheit und dem Chaos der Welt. Hass ist das Kondensat des Lichts, der göttliche Dunst, aus dem alles entsteht. Wir sind Wesen des Lichts. Wir sind auserwählt.
Peter krümmte sich vor und presste beide Hände gegen die Stirn.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, hörte er Laurenz’ Stimme dumpf durch das Rauschen in seinem Kopf.
»Jaja, geht schon … gleich vorb…«
Wimmernd sackte Peter zusammen. Sofort war Maria bei ihm.
»Was ist los mit dir? Hast du wieder deine …«
Der Plan. Denk nur an den Plan.
Schlagartig ließ der Schmerz nach, floss ab wie aus einem zerbrochenen Gefäß. Peter richtete sich auf und sah Maria an.
»Das ist nicht mein Vater«, sagte er tonlos. »Das ist … Edward Kelly. Der Löwenmann.«
»Das kann nicht sein«, sagte Laurenz. »Kelly war kaum älter als …«
Maria schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Was meinst du mit Löwenmann?«, fragte sie Peter.
Peter erhob sich mühsam. »Ich muss euch etwas zeigen. Ich habe es heute auf einer Flughafentoilette entdeckt.«
Er legte sein Jackett ab und begann wortlos, seine Hose und sein Hemd aufzuknöpfen. Als er Hemd, Hose und auch seine Unterwäsche sorgfältig abgelegt hatte und nackt vor ihnen stand, stieß Maria einen erstickten Schrei aus und bekreuzigte sich.
Sie sah jetzt den Löwenmann: Er hatte die Augen von Edward Kelly.
XII
9. Juli 2011, Rom
P eter hielt sich das Küchenmesser an die Brust, dort, wo sein Herz schlug, und betrachtete sich im Spiegel. Die Morgensonne sprühte freundlich in das kleine Bad, von draußen konnte man einen Müllwagen hören. Durch das halboffene Fenster wehte Dieseldunst und das Lachen der Spazzatini herein, die die Abfallcontainer mit viel Getöse über die Straße zogen.
Seit einer Stunde stand Peter nun schon vor dem Spiegel, das Messer in der Faust, und versuchte, den
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