Collector’s Pack
Töten so satt. Das Morden, Schlachten, Metzeln, Schänden, Zerhacken, Enthaupten, Abstechen, Würgen, Häuten, Brennen, Erschlagen, Kreuzigen, Pfählen und Aufspießen. Das ganze Massakrieren, er hatte es so gründlich satt. Dabei hatte Marcus Pinarius Corvus seinen Dienst in der X. Legion immer gerne getan, zuletzt unter dem Legat Tiberius Julius Severus, dem besten Feldherrn seiner Zeit. Fünfundzwanzig Jahre lang war er Soldat gewesen, auf jede nur erdenkliche Art und Weise zu töten war sein Beruf, und er war stolz darauf gewesen. Er hatte feindliche Krieger getötet, starke, bewaffnete Männer voller Hass auf das Römische Reich und den Kaiser. Er hatte schmächtige Jugendliche erschlagen, nur weil sie mit Steinen nach ihm geworfen hatten. Er hatte alte Leute, Kinder, sogar Neugeborene niedergemetzelt. Ohne Mitleid hatte er Frauen jeden Alters abgestochen, nachdem er sie zuvor vor den Augen ihrer Eltern und Ehemänner vergewaltigt hatte. Mit seiner Centurie hatte Marcus Pinarius, den sie Corvus nannten wegen seines Rabengesichts und seiner Kaltblütigkeit, ganze Dörfer ausgelöscht. Ohne Zögern, immer vorneweg. Legat befiehl, wir folgen dir! Marcus Corvus kannte keine Angst und hatte es auf diese Weise bis zum Centurio gebracht. In den fünfundzwanzig Jahren seiner Militärzeit hatte er Tausende von Menschen getötet, mit dem Schwert, mit dem Pilum , mit der bloßen Hand. Marcus Corvus war über Berge von Leichen geschritten, durch Sümpfe von Blut gewatet, die nicht mehr im Sand der judäischen Wüste versickerten. Aber vor allem – er hatte überlebt! Er, der Sohn einer syrischen Prostituierten und eines griechischen Ölhändlers, hatte dem Elend, das die Götter ihm in die Wiege gelegt hatten, ein Schnippchen geschlagen. Er hatte überlebt, auch wenn seine linke Hand nun im Sand der judäischen Wüste verfaulte. Einarmig und am ganzen Körper übersät mit Narben war er mit Hadrians Truppen in Rom einmarschiert, siegreich – und reich. Aber da hatte er schon längst diese Albträume, und jede Nacht suchten ihn die Gesichter der Toten heim. Vor zwei Jahren, noch in Judäa, das jetzt Syria Palaestina hieß, hatte es angefangen. Einfach so, ganz plötzlich, wie eine heimtückische Krankheit. Mit den Albträumen stieß ihn der Gedanke an das Töten plötzlich ab. Das Blut, das Stöhnen, das Entsetzen seiner Opfer widerte ihn an. Sein Leben lang war Morden eine Selbstverständlichkeit gewesen, jetzt wurde es zur Qual. Das war eigentlich zunächst kein Problem gewesen, denn mit seinem Entlassungsgeld von dreißigtausend Sesterzen plus der zahlreichen Prämien für Tapferkeit und siegreiche Schlachten konnte er sich in Rom eine schöne Wohnung im ersten Stock einer Insula leisten. Für fünftausend Sesterzen hatte er zwei Sklaven gekauft, einen germanischen Jungen für die schwere Arbeit und ein Mädchen aus Libyen für den Haushalt und das Vergnügen. Aber nach zwei Jahren war der ganze angesparte Reichtum aus fünfundzwanzig Dienstjahren zerronnen. Seit Corvus wegen der Albträume nicht mehr schlief, verbrachte er seine Tage und Nächte in Bordellen und Tavernen, trank, spielte und hurte. Ein Dämon fraß an seiner Seele, saugte alle Gefühle aus und würgte sie als einen Schatten aus Selbstekel wieder aus. Glück und Geld verließen ihn, nicht jedoch die Albträume und der Ekel. Er hatte seine Sklaven einem Gerber und einem Bordell vermietet, aber das reichte kaum zum Leben. Aus dem teuren ersten Stock der Insula hatte er ausziehen müssen, war nach oben in eine billige Wohnung im dritten und dann in eine schäbige im vierten gezogen. Inzwischen vegetierte er, der Held von Herodium, in einer stinkenden Kammer unter dem Dach, zur Untermiete bei einem Wasserträger. Arbeit fand er nicht, denn mit seinen dreiundvierzig Jahren galt er als alter Mann, und für einen erloschenen Krüppel mit nur einer Hand hatte niemand Verwendung. Um nicht endgültig auf der Straße zu landen, blieb Corvus nichts anderes übrig, als das zu tun, was er am besten konnte. Vier Menschen hatte er für den Hausverwalter und einflussreiche Bordellbekanntschaften bereits ermordet und hatte sich jedes Mal danach tagelang gequält und in Pein gewunden. Es gab keine Hoffnung.
Marcus Corvus saß in einer Popina in der Nähe des Forums, brütete vor sich hin und versuchte, den dumpfen Kopfschmerz zu ignorieren. Vor ihm stand ein Becher mit billigem, gepfeffertem Wein. Er wartete auf den Verwalter. Der Raum bestand nur aus einigen Tischen
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