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[email protected] 4. Juli 2011 13:21:03 GMT+01:00
Betr.: Re: Fwd: Treffen
Lieber Rabbi Kaplan, lieber Sheik al Husseini,
in einer Stunde Telefonkonferenz über die sichere
Leitung?
Ihr
Franz Laurenz
PS: Ich habe den Kontakt zu Peter Adam verloren.
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XIV
9. Juli 2011, Rom
A ls Peter aus dem Bad trat, erwartete Maria ihn mit einem frischen Kaffee und einem erleichterten Blick.
Sie hat geahnt, was du vorhattest.
Peter vermied es, sie zu küssen und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch, wo ein aufgeklappter Laptop stand. Maria wirkte erschöpft nach der Nacht, in der keiner von ihnen geschlafen hatte. Peter bewunderte sie dafür, wie pragmatisch sie nach dem ersten Schock reagiert hatte. Mit einer kleinen Digitalkamera hatte sie Peter von allen Seiten fotografiert und dann ohne Zögern begonnen, die Tätowierung zu analysieren. Die ganze Nacht hatten sie zu dritt über den Details der Zeichnung gebrütet und versucht, sich einen Reim auf ihre Bedeutung zu machen. In einem unausgesprochenen Übereinkommen hatten alle drei dabei die Frage ausgeklammert, wie Peter überhaupt zu der Tätowierung gekommen war. Mit einer handelsüblichen Grafiksoftware isolierten sie einzelne Bereiche der Tätowierung, die ein Großrechner von Nakashima Industries in Kobe mit drei Billiarden Rechenschritten pro Sekunde analysierte. Doch auch nach Stunden konzentrierter Betrachtungen, Analysen, Recherchen und Spekulationen waren sie immer noch keinen Schritt weitergekommen. Die Software hatte 2,7 Millionen Kombinationen und Verbindungen innerhalb der Tätowierung gefunden, die möglicherweise bedeutsame Muster darstellten. Ohne eine Idee, was die Tätowierung wirklich war, würde es nicht gelingen, die Suche einzugrenzen.
»Wo ist dein Vater?«, fragte Peter und nippte von seinem Kaffee.
»Er hat einen Anruf bekommen und musste weg.«
»Aber wo ist er hin?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
Peter trank seinen Kaffee, ließ Maria nicht aus den Augen. »Verstehe.«
Maria seufzte. »Warum vertraust du mir nicht mehr, Peter?«
»Verdammt, wie soll ich dir vertrauen, wenn ich deinem Vater nicht traue?«
Statt einer Antwort drehte Maria den Laptop um, sodass Peter das Monitorbild sehen konnte. Es zeigte eine dreidimensionale digitale Ansicht der gesamten Tätowierung mit seinen Körperformen, die langsam auf dem Bildschirm rotierte wie ein seltsamer Globus.
»Ich bin vorhin einen Schritt weitergekommen, als du im Bad warst. Ich glaube, ich weiß, was die Tätowierung ist. Unter anderem.«
Sie machte eine Pause und genoss Peters überraschtes Gesicht. »Ich glaube, sie ist eine Art Ausdruck. Ein print-out. Wie aus einem Laserdrucker.«
Sie genoss Peters Verblüffung einen Moment und fuhr fort. »Das Kupfersymbol in dem Kreis hat mich darauf gebracht. Ich glaube, die Tätowierung hängt mit dem Amulett zusammen, das eine Art Weltgedächtnis ist, ein Speicher, der alles oder doch zumindest eine ganze Menge von dem enthält, was über die Jahrhunderte oder Jahrtausende in der Welt passiert ist.«
»Bitte mach weiter«, sagte Peter, als sie erneut innehielt und offenbar Einspruch von ihm erwartete.
»Ich vermute, dass deine Tätowierung ein grafischer Auszug aus diesem Speicher ist. Nehmen wir zum Beispiel die T-förmige Dreiteilung auf deinem Rücken. So wurden Weltkarten im Mittelalter gezeichnet. Die mittelalterlichen Kartografen interessierten sich nicht für exakte Geografie. Die Karten basieren nicht auf Vermessung, sie besitzen keinen Maßstab. Diese Weltkarten sind Ausdruck einer Weltanschauung. Es sind Welt bilder . Sie erzählen Geschichten. Schau hier …«
Sie klickte ein Bild mit dem Schema einer mittelalterlichen Weltkarte an.
»Das ist eine sogenannte Radkarte nach römischer Art oder auch T-O-Karte. Eine mittelalterliche Mappa Mundi ist immer geostet, das heißt, Osten liegt oben, steht da auch auf Latein. Daher übrigens der Ausdruck »sich orientieren«. Die Welt bildet einen Kreis. Ein Weltozean umfließt die drei bekannten Kontinente Asien, Europa und Afrika beziehungsweise Libyen. Im Zentrum liegt Jerusalem, zugleich Nabel der Welt und Nabel Christi. Die Kontinente sind durch T-förmige Gewässer voneinander getrennt: den Don, das Mittelmeer und den Nil.«
Sie klickte nacheinander verschiedene mittelalterliche Weltkarten an.
»Diese Karten spiegeln wider, was man damals über Geografie, Ethnologie, Mythologie und Geschichte wusste. Es sind