Collector’s Pack
Schulter und die rechte Brust freigab, und darüber einen zarten Schleier, der ihren schlanken Körper kaum verhüllte, sondern wie der Morgendunst umwehte. Ramosis konnte den Blick kaum von ihren Schultern lösen. Ihre Sandalen schienen aus reinem Gold zu bestehen. Um den Hals trug sie eine mehrlagige Kette aus Gold und Lapislazuli und auf dem Kopf eine blaue Perücke mit der Uräusschlange und dem Ankh-Zeichen des Lebens. Symbole ihrer königlichen Würde. Die gleiche Perücke trug auch Echnaton, ansonsten aber nur einen einfachen, gefalteten Schurz um die Hüften. Von hinten betrachtet wirkte sein schmächtiger Körper mit dem langen Hals auf Ramosis zerbrechlich und weiblich. Sein Vater Amenophis III., die Priester, der ganze königliche Machtapparat, sie alle hatten ihm nie zugetraut, das Reich zu führen. Zu zart, zu versponnen, zu schwach. Sie hatten sich alle geirrt. In knapp zwanzig Jahren hatte der schwächliche junge Pharao mit dem durchdringenden Blick mit allen Traditionen gebrochen und dem Reich seinen Willen und seinen Gott aufgezwungen. Echnaton, das wusste Ramosis längst, mochte das Reich an den Rand des Untergangs gebracht haben, aber sein Wille und sein Genie hatten ihn unsterblich gemacht. Er war der Prophet des einzigen und alleinigen Schöpfers, an den Ramosis glaubte.
Das Königspaar begrüßte jetzt die ersten Sonnenstrahlen. Ihre schönen Stimmen perlten in Ramosis Herz und erfüllten ihn für einen Moment mit der irren Hoffnung, dass vielleicht doch noch nicht alles verloren war. In der gleichen Haltung wie das Königspaar sang er den Hymnus leise mit.
Vollkommen erscheinst du
am Horizont des Himmels,
o lebendige Sonne,
die vom Anbeginn lebt!
Du bist aufgegangen am Osthorizont
und hast jedes Land mit deiner Schönheit erfüllt.
Schön bist du, groß und strahlend,
hoch über allem Land.
Als die Sonnenscheibe Atons den Rand der Berge überschritten hatte, endete der Hymnus, und das Königspaar wandte sich zu Ramosis um. Ramosis ging in die Knie, verbeugte sich tief und warf die Hände ausgestreckt am Boden nach vorn, wie es das Protokoll vorschrieb.
»Endlich bist du da, Ramosis«, rief die Königin. »Was bringst du für Nachrichten?«
»Leider sehr schlechte, meine Königin«, rief Ramosis mit dem Gesicht auf dem Boden. Er wusste, dass der König Lügen oder Umschweife hasste. »Die Amun-Tempel in Theben sind wieder geöffnet. Mit Einverständnis der Priester werden Haremhab und Eje sich den Thron teilen.«
Er hörte Echnaton leise seufzen. »Ausgerechnet Haremhab und Eje. Die treuesten Freunde. Aber noch bin ich Pharao.«
»Euer Tod ist bereits beschlossen, mein König«, fuhr Ramosis mit rauer Stimme fort. »Eure Mörder sind in Marsch gesetzt. Ein ganzes Heer. Angeführt von General Maj. Ihr müsst sofort fliehen.«
Echnatons Reaktion überraschte Ramosis. Der Pharao lachte. Gegen alle Etikette hob Ramosis den Kopf und sah den König kichern.
Er ist doch verrückt, dachte Ramosis bitter. Er hat Aton verraten, er hat getötet und Hass gesät, er hat uns alle getäuscht.
Echnaton ergriff Ramosis’ Hände, zog ihn auf die Füße und sah ihn durchdringend an. Ramosis erkannte immer noch das Glühen in diesem Blick, dem er den Glauben an Aton verdankte, der sein Herz für den einzigen und alleinigen Schöpfer geöffnet hatte. Viele waren diesem Blick des hochgewachsenen, schlaksigen Königs verfallen, weil er sie durchdrang wie einen kristallklaren See. Bis an ihr Herz, bis zu ihrem ka , das still auf dem Grund ihrer Seele ruhte. Ein Blick, der unbedingte Wahrheit verlangte.
»Hältst du mich für verrückt, Ramosis?«, fragte Echnaton sanft.
»Mein Geist ist zu gering, um Eure vollkommene Weisheit zu erfassen, mein König«, wich Ramosis aus.
»Also ja. Du verachtest mich. Du glaubst, dass ich das Reich verraten habe. Du hasst mich, weil Maketaton gestorben ist, die du geliebt hast.«
»Mein König, ich …«, stammelte Ramosis, doch Echnaton schnitt ihm das Wort ab.
»Du tust Recht daran, denn ich war schwach. Ich habe Unglück über das Land gebracht, wo ich Liebe hätte bringen sollen. Ich gestehe, dass ich mich habe verführen lassen.«
Das Geständnis verwirrte Ramosis zutiefst. Es war ihm peinlich, den Pharao so reden zu hören, denn Ramosis empfand sich nicht als Vertrauter des Pharaos, nur als einen von vielen Priestern. Mehr noch als das Geständnis des Königs verunsicherte ihn jedoch Nofretete, die ihn die ganze Zeit über schweigend ansah in ihrer
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