Collector’s Pack
vollkommenen Schönheit. Mit einem Blick, der Ramosis’ Herz mehr in Aufruhr versetzte als die Liebe zum lebendigen Aton. Auch wenn es grob unhöflich war, unterbrach Ramosis seinen König daher, um seinen Bericht eilig zu beenden und dann aus dem Palast verschwinden zu dürfen.
»Die Tempel sind wieder geöffnet, die Priester schreien nach Rache. Die Schlimmsten sind gar nicht die Amun-Priester, sondern die Priester der Sachmet. Die löwenmähnige Göttin will Blut. Euer Blut. Einer ihrer Priester ist sogar Berater von General Maj. Er trägt eine Löwenmaske und hat der Göttin geschworen, ihr Euer Herz zu opfern.«
»Lasst uns unten weiterreden«, unterbrach Nofretete Ramosis’ Gestammel. Sie nahm Ramosis an die Hand und zog ihn sanft mit sich wie ein Kind. Oder wie einen Gatten, dachte Ramosis kurz und verfluchte sich im gleichen Moment für diesen lästerlichen Gedanken. Die schlanke und zugleich kräftige Hand der Königin brannte in der seinen.
Nofretete führte ihn hinunter in den Palast in einen kleinen, fensterlosen Raum, an dessen anderem Ende Ramosis beim Eintreten eine goldbeschlagene Tür mit dem Zeichen Atons erkannte. Erst in diesem stockfinsteren Raum ließ sie seine Hand wieder los.
»Zieh deine Sandalen aus«, forderte sie ihn auf, und Ramosis gehorchte. Nofretete schwieg wieder. Die Dunkelheit des Raumes wirkte vollkommen, nur ihr Atmen verriet Ramosis, dass Nofretete noch neben ihm stand.
»Was fühlst du?«
»Ich bin verwirrt«, gestand Ramosis.
»Hat sich Aton dir schon einmal offenbart, Ramosis?«
Die Frage bestürzte Ramosis und traf ihn am schmerzlichsten Punkt seines Glaubens. »Nein, meine Königin«, sagte er beschämt.
»Dann tritt ein und begegne Aton. Ich erwarte dich auf der anderen Seite.«
Sie musste von seiner Seite gewichen sein, denn Ramosis hörte ihren Atem nicht mehr. Ramosis tastete sich durch die Dunkelheit zu der vergoldeten Tür und drückte sie auf. Als er den Raum dahinter betrat, kniff er sofort geblendet die Augen zu. Er hörte noch, wie die Tür hinter ihm zuschlug und versuchte blinzelnd, sich zu orientieren. Der Raum war quadratisch, Ramosis schätzte, dass er an jeder Seite mehr als zehn Schritte maß. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich eine weitere Tür. Durch eine kreisrunde Öffnung in der Decke fiel das Sonnenlicht auf einen runden, steinernen Altar, der aus der Mitte des Raumes herauszuwachsen schien, und versprühte einen dunstigen Schimmer auf Fußboden und Wände. Fußboden und Wände waren ganz mit hellem Marmor verkleidet, der das hereinfallende Sonnenlicht sogar noch verstärkte. Als sich Ramosis' Augen an das Licht gewöhnt hatten, erkannte er, dass die Wände des Raumes über und über mit Hieroglyphen, Bildern und Zeichen bedeckt waren. Die vertrauten Hieroglyphen sangen den Sonnenhymnus und priesen die Schönheit und Ewigkeit Atons. Dazwischen verwirrenderweise immer wieder Darstellungen der löwenköpfigen Sachmet.
Die anderen Symbole und Bilder hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Gekreuzte Zeichen, Spiralen, Kreise, Darstellungen von Menschen, Tieren und rätselhaften halbmenschlichen Echsenwesen. An der Wand zu seiner Rechten erkannte Ramosis eine Art Landschaft. Eine Insel offenbar mit üppigen Bäumen und Pflanzen, unter denen die Echsenwesen lebten. Es gab keine Jagd- oder Kriegsszenen. Über allem schwebte die Sonnenscheibe. Unter der Decke verlief ein Fries mit fremdartigen Schriftzeichen. Jedenfalls vermutete Ramosis, dass es sich um Schriftzeichen handelte. Er glaubte einen fernen Klang zu hören, doch das konnte auch eine Täuschung sein. Beklommen trat Ramosis an den kreisrunden Altar in der Mitte. Jetzt erkannte er, dass die Oberfläche des Altars ganz vergoldet war. In die goldene Fläche war eine Art Landkarte eingehämmert, aber das erkannte Ramosis nicht. Er sah nur ein blaues Amulett in der Mitte der Schale. Zögernd nahm Ramosis das seltsame Amulett in die Hand. Auf der einen Seite des Medaillons prangte ein unbekanntes Zeichen aus fünf mehrfach gekreuzten Linien. Auf der Rückseite jedoch erkannte er das TET-Zeichen. Das Symbol der ewigen, unwandelbaren Zeit. Aber das war noch nicht alles.
Denn das Amulett sprach zu ihm mit der Stimme Atons.
Als Ramosis, nach unendlich langer Zeit, wie ihm schien, durch die gegenüberliegende Tür in den Thronsaal trat, erwarteten ihn dort bereits Echnaton und Nofretete. Echnaton saß in dem goldbeschlagenen Thronsessel und sah Ramosis unverwandt an. Nofretete
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