Collector’s Pack
schaffte es nicht, sich nach ihr umzudrehen. Er brachte mit Mühe nur noch einen lallenden Laut heraus. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer.
»Ich hätte dich längst töten sollen«, sagte eine Stimme hinter ihm. Es war nicht mehr wichtig, dass er sich nicht bewegen konnte, um den Mann anzusehen. Er kannte diese Stimme gut. Es war die Stimme von Franz Laurenz.
XVII
1336 v. Chr., Achetaton, Ägypten
Siebzehntes Regierungsjahr Echnatons
D as Urteil stand längst fest. Die Tage von Achetaton, der schönsten Stadt der Welt, waren gezählt und mit ihr die Zeit des Mannes, den Ramosis einst mehr verehrt hatte als irgendwen sonst. Seinen König, den Sohn des lebendigen Aton. Das Licht der Welt. Den Mann, der einst die Wahrheit geschaut und Aton erkannt hatte, den einzigen und wahren Gott. Der Mann, der die Götter des Reiches gestürzt, die Tempel geschlossen, den Namen Amuns aus allen Reliefs getilgt und die Vermögen der Priester eingezogen hatte. Der Mann, der dem Reich eine neue Kunst und eine neue Schrift gegeben hatte. Der Mann, der Wahrheit, Liebe und Frieden predigte und damit gleichzeitig unermessliches Leid, Terror und Chaos über das Land gebracht hatte. Der Mann, den sie einen Ketzer nannten.
Die Stadt am Ostufer des Nils, erbaut in nur drei Jahren zum Ruhme Atons, hatte einst an die hunderttausend Einwohner gezählt. Inzwischen waren die meisten Bewohner Achet-Atons geflohen, nachdem selbst Oberst Haremhab, der Hohepriester Merire, Kanzler Nachet, der königliche Leibarzt Pentu und sogar Eje, wichtigster Berater und Schwiegervater des Pharaos, sich den Amun-Priestern gebeugt und die Stadt verlassen hatten, angeblich zum Schutze des Reiches. Ramosis machte sich jedoch keine Illusionen über die wahren Motive. Das Böse brach sich Bahn, es würde die Häuser der Beamten und Handwerker ebenso zermalmen wie den Königspalast und die Tempel. Der Hohepriester des Amun würde schon dafür sorgen, sobald der verhasste Pharao erst tot und die alte Ordnung wiederhergestellt war. Achetaton, aus Lehmziegeln und Kalkblöcken erbaut, hatte ihrer Wut und dem Atem des Bösen nicht viel entgegenzusetzen. Es konnte sich nur noch um Tage handeln.
Ramosis beeilte sich, denn es würde bald hell werden, und er wollte rechtzeitig zum Sonnenaufgangsgebet im Nordpalast sein, in den sich die Königin vor über drei Jahren zurückgezogen hatte. Was jedermann verwundert hatte, denn Nofretete, die öffentlich gerne mit dem blauen Kriegshelm aufgetreten war, hatte vielen immer als wahre Herrscherin des Reiches gegolten, als macht- und liebeshungrige Intrigantin und Magierin. Es gab Gerüchte, dass sie ihren Mann hundertfach betrogen hatte. Mit Haremhab, dem Jugendfreund des Pharaos und Oberst der Palastwache, mit Thutmosis, mit General Maj und dem Hohepriester Merire. Mit Soldaten, Sklaven, Knaben und Handwerkern. Und dass keine ihrer sechs Töchter von Echnaton gezeugt worden war, der in Wirklichkeit unfruchtbar sei und ohnehin nur mit seiner Mutter Teje hatte schlafen können. Oder mit seinen Töchtern, von denen er nach alter Sitte drei geheiratet hatte. Auch Maketaton.
Ramosis, der seit einem Jahr seinen Dienst im großen Aton-Tempel versah, enthielt sich der allgemeinen Lästerei, obwohl er genug Grund hatte, den Pharao zu hassen. Aber der Glaube an Aton machte ihn stark.
Vor einem Monat hatte die Königin ihn persönlich mit einer Geheimmission nach Theben entsandt, der alten Hauptstadt des Reiches. Ein lebensgefährlicher Auftrag für einen Aton-Priester. Nicht nur die Pest wütete in Theben. Terrorisiert durch Mahus Polizeischergen, die jeden brutal verfolgten, der noch an die alten Götter glaubte, blieben die Menschen einem gestaltlosen Gott überlassen, der ihnen Trost verweigerte und ihnen die alten Feste raubte. Den man nicht einmal »Gott« nennen durfte, sondern nur »lebendiger Aton«. Ein schwächlicher Gott, der gebot, seine Feinde zu lieben, und der nicht einmal ein Jenseits bereithielt, auf das man hoffen konnte nach einem Leben voller Elend. Ein Gott des Nichts. Eine Stimme, die sich dem verrückten Pharao offenbart hatte. So hatte das Volk nach der Euphorie der ersten Jahre begonnen, Aton und seine Priester zu hassen. Ramosis wusste, dass sich die Menschen im Land wünschten, der Pharao möge bald sterben in seiner prächtigen, gottlosen Stadt. Dieser schwächliche und hässliche Pharao, halb Mann, halb Frau, der ungerührt Gedichte schrieb, während sie von der Pest und plündernden Hyskoshorden und
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