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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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K apitel 1
    Montag 9. Februar
    Vollmond
    M ein Name ist Veronica Meis, und als mein düsteres Märchen seinen Anfang nahm, fehlten weniger als fünf Wochen bis zu meinem achtzehnten Geburtstag. Ich wachte morgens auf und erkannte das Geräusch, das mich geweckt hatte, noch bevor ich es wirklich hörte. Ich fühlte mich scheußlich.
    Das Geräusch kam vom Vibrieren meines Fensters, verursacht von einem zu niedrig und zu nah vorbeifliegenden Flugzeug. Die ersten drei Dinge, die mir anschließend zu Bewusstsein kamen, waren ein bestialisches Hämmern in meinem Kopf, eine rumorende Übelkeit in meinem Magen und ein dumpfer Schmerz, der in meinem Knöchel pulsierte.
    Ich blinzelte ins Dunkel. Wie spät mochte es sein? Durch die geschlossenen Fensterläden drang kein Lichtschimmer, es musste also die Sechs-Uhr-fünfzig-Maschine nach Budapest gewesen sein oder vielleicht auch die von halb sechs nach Frankfurt …
    Ich drehte mich auf die Seite und suchte nach dem Radiowecker. Er war nicht da.
    Mit ausgestreckter Hand tastete ich blind auf meinem Nachtschrank herum und warf verschiedene Gegenstände herunter, die mit gedämpftem Aufprall auf meinem Bettvorleger landeten.
    Nichts. Der Wecker war nicht an seinem Platz.
    Was nur eines bedeuten konnte: Meine Mutter hatte gestern Abend meine Abwesenheit ausgenutzt, um in mein Zimmer zu gehen und »aufzuräumen«.
    Gestern Abend …
    Wo bin ich nur gewesen? Die Erkenntnis, dass gestern irgendein besonderes Datum war, blitzte kurz in meinem Kopf auf, aber alles andere blieb völlig im Dunkeln. Ich war aus gewesen, das war schon allein deshalb klar, weil meine Mutter sich an meinen Sachen vergriffen hatte; dass ich getrunken hatte, sagte mir der unsichtbare Schraubstock, der mir die Schläfen zusammenpresste; dass es spät geworden war, sagte mir die entsetzliche Müdigkeit, die mich bleischwer niederdrückte.
    Ich schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Oder besser gesagt, ich versuchte es, denn sobald ich den rechten Fuß auf den Boden setzte, durchzuckte meinen Knöchel ein stechender Schmerz, der mich fast zu Boden gehen ließ. Mir stiegen die Tränen in die Augen, und ich zog das Bein gleich wieder zurück ins Bett.
    Hatte ich mir den Fuß verstaucht? Nein, das wäre eine andere Art von Schmerz gewesen … Ich tastete vorsichtig mein Bein ab: Da war etwas Hartes und Raues, an mehreren Stellen, und es tat weh, wenn ich draufdrückte.
    Trockenes Blut. Wunden.
    Ich streckte mich zur anderen Bettseite und machte das Licht an. Es war wie ein Hammerschlag auf den Kopf.
    Die Luft füllte sich mit grellbunten Formen, das visuelle Äquivalent eines schrecklichen Kreischkonzertes. Ich verschränkte schnell die Arme vorm Gesicht.
    Ich zählte bis zehn und versuchte dann, langsam die Augen wieder zu öffnen: Die »sichtbare Lautstärke« der Welt war zu einer einigermaßen akzeptablen Intensität zurückgekehrt, und doch war da etwas verdammt falsch um mich herum.
    Ich ließ den Blick in jeden Winkel meines Zimmers wandern: das Bett, in dem ich saß, die mit allen möglichen Gegenständen vollgestopften Regale, das Fenster, die Wände, die so dicht mit Manga-Postern behangen waren, dass man den weißen Putz fast nicht mehr sah.
    Diese Umgebung kannte ich besser als jede andere. Ich selbst hatte sie erschaffen, im Lauf der Jahre, in dem Haus in Ravenna, in dem ich vorher gelebt hatte. Und als meine Familie vor sechs Monaten hierhergezogen war und ich dieses Zimmer bekommen hatte, das im Grunde nicht viel anders (wenn auch kleiner) war als mein altes, wollte ich es genauso einrichten, einfach um mein Heimweh leichter ertragen zu können. Trotzdem war mir nie aufgefallen, wie bunt es war.
    Ach, da stand ja mein Wecker, auf der Kommode neben der Tür, eingezwängt zwischen einem Plüschwolf und einem gerahmten Foto von mir als Sechsjähriger; die perfekte Position, um die perversen Anwandlungen meiner Mutter zu befriedigen, denn sicher hatte sie mich damit zwingen wollen, aufzustehen und das ganze Zimmer zu durchqueren. Das Display zeigte 6.54 Uhr. Linienflug nach Budapest.
    Wozu brauchte man überhaupt einen Radiowecker, wenn man neben einem internationalen Flughafen lebte?
    Ich schaute auf meinen Knöchel hinunter, der aus meiner türkisfarbenen Schlafanzughose hervorlugte. Blutkrusten. Und zwar viele.
    Mich schwindelte. Ich musste die Augen schließen und einige Sekunden lange tief durchatmen. Dann sah ich von Neuem hin: Ich habe sehr helle Haut – in etwa vergleichbar mit dem, was

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