Collector’s Pack
stand neben ihm. In der Mitte der üppig ausgeschmückten Audienzhalle, zu Füßen des Pharaonenthrons, stand eine Art Truhe aus Zedernholz. Eine schlichte, unverzierte Holztruhe, die ein Mann gerade noch tragen konnte.
»Hast du Atons Stimme vernommen?« fragte der Pharao.
Ramosis nickte und hielt dem Pharao das Amulett hin.
»Behalte es«, sagte Echnaton. »Es gehört jetzt dir. Du weißt jetzt, dass es nicht mein Herz oder das Reich ist, nach dem es die Priester oder Maj, Haremhab und Eje verlangt. Dieses Amulett besitzt mehr Macht, als je ein Pharao besessen hat. Aus Eitelkeit und Neugier habe ich damit vor Jahren etwas geöffnet, was nie hätte geöffnet werden dürfen. Maketaton und viele Tausende andere mussten deswegen sterben. Aber für Reue ist es nun zu spät.«
Er lächelte gequält und nahm die Hand seiner Gemahlin.
»Wenn wir sterben, stirbt mit uns der Glaube an Aton.«
»Deshalb müsst ihr fliehen, mein König!«, rief Ramosis dazwischen. »Jede Stunde ist kostbar!«
»Nein! Ich habe einst gelobt, die Grenzen dieser Stadt nie zu verlassen. Das ist mein Schicksal. Aber du, Ramosis, du, der letzte Priester Atons, du wirst den Glauben lebendig erhalten und weitertragen. Du und deine Frau.«
Ramosis begriff gar nichts mehr. »Meine Frau? Ich habe keine Frau, mein König.«
»Doch«, erklärte Nofretete und kam auf ihn zu. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Ramosis wurde schwindelig.
»Sobald ich tot bin, wird sie deine Frau sein!«, rief Echnaton nüchtern und erhob sich. »Ihr werdet ein Volk gründen, das Volk Atons. Ihr werdet noch heute aufbrechen und das Reich verlassen. Es ist alles vorbereitet. Alle, die noch in Achet-Aton verblieben sind, werden euch begleiten.«
Ramosis hatte das Gefühl, seine Beine würden jeden Moment unter ihm zusammensacken. Er fühlte sich elend und verwirrt und wich Nofretetes ernstem Blick aus. Wie durch einen Nebel hörte er die Stimme des Pharaos, der ihm in knappen Worten erklärte, welchen Weg er zu nehmen habe, um sicher an Majs Truppen vorbeizukommen. Der Weg führte nach Norden Richtung Memphis und von dort ostwärts über eine Meerenge geradewegs in die östliche Wüste, die nur von räuberischen Hapiru und Schasu-Nomaden bewohnt wurde. Dort werde Aton erneut zu ihm sprechen und ihm die Gebote für sein Volk offenbaren.
Ramosis fühlte nichts mehr. Sein Körper schien sich aufzulösen unter Echnatons Worten, die wie Öl in seinen Kopf tropften und alles andere verdrängten, und unter dem Blick der Königin, die nun seine Frau sein sollte.
Ramosis verstand nur wenig von dem, was der Pharao und Nofretete ihm über das Böse erzählten und dieses blaue Amulett, das er zusammen mit der hölzernen Lade für alle Zeiten schützen sollte. Die Worte umwehten ihn, ohne dass er sie zu fassen bekam. Aber er verstand immerhin, dass Echnaton tatsächlich von ihm verlangte, mit Nofretete und zwanzigtausend Menschen, die meisten von ihnen noch nicht einmal Ägypter, in die Wüste zu ziehen und dort ein Volk zu gründen.
»Wir werden verdursten und verhungern«, hörte Ramosis sich matt protestieren. Da öffnete Nofretete die hölzerne Lade zu ihren Füßen und holte etwas heraus, das sie Ramosis in die Hand legte. Einen faustgroßen Kegel aus einem gepressten weißen Pulver.
»Was ist das?«, fragte Ramosis.
»Das Mufkuzte . Das › Was ist das ‹!«, flüsterte Nofretete dicht an seinem Ohr. »Das Weiße Brot. Iss und verstehe!«
Ramosis erwachte vom Klatschen der Zeltplane. Kühler Wind fegte durch den Spalt am Eingang und trug den Geruch der Wüste, den Geruch der Tiere und das erste fahle Tageslicht herein. Immer noch ein wenig benommen richtete sich Ramosis auf und betrachtete die schlafende Frau neben sich, die einmal die mächtigste Königin der Welt gewesen war. Und nun seine Frau. Vereint durch Aton. Für immer.
Einen Moment hing Ramosis noch seinem letzten Traum nach und betrachtete gedankenverloren die Tätowierung auf seiner Brust, die sich über seine Arme bis über den Rücken zog. Die Tätowierung, die ihn für alle Zeit an sein erstes Leben und seine Verpflichtung erinnerte.
Ramosis küsste die nackte Schulter seiner schönen Frau und spürte erneut Lust, mit ihr zu schlafen. Selbst ihre Schwangerschaft hatte nichts an seinem Verlangen ändern können. Und auch nicht an ihrem. Dennoch hielt er sich zurück. Rasch zog er sich an und nahm das Amulett aus der Zedernholzlade neben dem Lager. Dann trat er aus dem Zelt.
Vor ihm
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