Collector’s Pack
aufständischen Hethitern heimgesucht wurden.
Allen Gefahren zum Trotz hatte Ramosis seinen Auftrag jedoch erledigen und Theben wieder unbehelligt verlassen können. Doch er brachte furchtbare Nachrichten mit. Ganz ohne Eskorte auf einem einfachen Pferdegespann näherte er sich der ausgestorbenen Stadt von Süden und passierte zunächst Maru-Aton, ein kleines Lustschloss, ausgestattet mit herrlichen Malereien aus der Pflanzen- und Tierwelt. Ramosis verdrängte den schmerzhaften Gedanken, dass er sich dort einst heimlich mit Maketaton getroffen hatte, der ältesten Tochter des Pharaos, die seine Frau hätte werden können. Aber Maketaton war tot, einfach erloschen. Genau wie seine Liebe zu seinem König. Nur die Liebe zu Aton lebte noch in ihm.
Erfüllt von dunklen Gedanken fuhr Ramosis weiter auf der Hauptstraße in nördliche Richtung und durchquerte die Südstadt, in der die prächtigen Anwesen der höfischen Beamten lagen. Und dahinter zu den Bergen hin die Werkstätten und Hütten der Steinmetze, Schreiber, Maler, Töpfer, Bierbrauer, Reliefkünstler, Lastenträger und Nekropolenarbeiter, die dort zu Tausenden auf engstem Raum lebten. Irgendwo dort, so wusste Ramosis, lag auch die Werkstatt des berühmten Thutmosis, der all diese Wunder geschaffen hatte.
Der Morgendunst, der schwer und feucht vom Nilufer heraufzog, hüllte Ramosis in Einsamkeit und Verzweiflung. Er war jetzt zweiunddreißig Jahre alt, ein Bauernsohn von kräftiger Konstitution aus einem Dorf nahe Theben, für den sich sein Vater eine Laufbahn in Haremhabs Wache gewünscht hatte. Doch die Liebe zu Aton und später zur Tochter des Pharaos hatte aus dem heiteren Jungen mit der schönen Stimme einen schwermütigen, unverheirateten Mann mit einem Riss im Herzen und einem Hang zum Grübeln gemacht.
Von der Stadt der Handwerker her roch es nach Unrat und kalten Feuern. Irgendwo im Dunst bellte ein Hund und streunte kurz darauf als dürrer Schatten an dem Karren vorbei, ohne ihm Beachtung zu schenken. Auch im Zentrum der Stadt begegnete Ramosis keinem Menschen. Als fürchteten die Wenigen, die Achetaton noch nicht verlassen hatten, die Nacht. Genau so, wie es im Sonnenhymnus des Pharaos hieß:
Gehst du unter im Westhorizont,
so ist die Welt in Finsternis,
in der Verfassung des Todes.
Die Schläfer sind in der Kammer,
verhüllten Hauptes, kein Auge sieht das andere.
Jeder Löwe ist aus seiner Höhle gekommen,
und alles Gewürm, es beißt und sticht.
Leise den vertrauten Hymnus summend, um sich selbst Mut zu machen, trieb Ramosis das Pferd weiter an. Die Königsstraße weitete sich vor ihm zu einer breiten, palmengesäumten Prachtallee. Zur Nilseite, links der Straße, lag der Palast des Pharaos, ein gewaltiger Gebäudekomplex von siebenhundert Metern Länge, aus weißem Kalkstein erbaut, geschmückt mit Verzierungen aus Alabaster, Granit und Quarz. Ramosis war oft dort gewesen und sah die riesige Säulenhalle wieder vor sich, die man durchschreiten musste, um zum Thronsaal zu gelangen. In den Innenhöfen standen überlebensgroße Statuen des Königs und der Königin aus der Werkstatt des Thutmosis. Im Palast befanden sich auch der Harem und Echnatons geliebter Garten mit einem kleinen Teich, in dem sich Fische und Wasservögel tummelten. Der König liebte Tiere über alles. Er konnte Stunden damit zubringen, die Reiher am Nilufer zu beobachten.
Eine Torbrücke mit drei Durchgängen überspannte die Königsstraße und verband den Palast mit dem Privathaus des Pharaos, erbaut in der Art eines königlichen Landsitzes. In der Mitte der Brücke gab es oben ein Erscheinungsfenster, in dem Echnaton sich bei hohen Festtagen dem Volk zeigte.
Gezeigt hatte , korrigierte sich Ramosis in Gedanken, denn er glaubte nicht daran, dass man den Pharao je wieder dort sehen würde.
Nachdem Ramosis die Palastanlage passiert hatte, tauchte rechterhand im Dunst des ersten Morgengrauens der Schatten des großen Aton-Tempels vor ihm auf. Die Tempelanlage war ebenso gewaltig wie der Palast. Im Gegensatz zu den Tempeln der alten Götter, die immer dunkler wurden, je weiter man sich dem Allerheiligsten näherte, gab es hier nichts Dämmeriges oder Dunkles. Aton war das Licht, die Sonne, und sollte in seinem Haus überall gegenwärtig sein.
»Aton ist allgegenwärtig und ohne Gestalt«, hatte ihm Echnaton einst erklärt. »Er ist der Atem des Lebens, er erscheint durch die Liebe in allen Wesen. Selbst die Sonne ist nur eine seiner Erscheinungen. Aton selbst
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