Collector’s Pack
lag eine ganze Stadt aus ärmlichen Zelten, Verzweiflung und Hoffnung. Zwanzigtausend Menschen hatte er wochenlang durch diese menschenleere Wüste geführt, genährt vom Mufkuzte , dem Weißen Brot, dem › Was ist das? ‹, und verfolgt von General Maj und einem Priester in einer Löwenmaske. Vor Maj und seinen Truppen waren sie nun sicher, aber Ramosis wusste, dass der Priester der Sachmet sie weiter verfolgen würde. Wohin sie auch ziehen würden.
Die Tiere waren bereits wach. Die Esel und Ochsen erwarteten unruhig den Sonnenaufgang, die Ziegen scharrten bereits in ihren Gehegen. Es wurde Zeit.
Ramosis wandte sich nach Osten und sah in der Dämmerung zu dem Schatten des Berges hinauf, der steil hinter dem Zeltlager aufragte. Dort oben im Licht, wusste Ramosis, erwartete ihn Aton.
XVIII
9. Juli 2011, Pantheon, Rom
M ÖRDER! MÖRDER!«
Maria hörte nicht auf zu schreien, auch wenn sie wusste, dass es sinnlos war. Während zwei Mönche sie eisern festhielten, musste sie zusehen, wie zwei andere den regungslosen Peter wegschleiften. Er blutete stark aus einer klaffenden Platzwunde am Kopf. Seine Augen waren weit aufgerissen, aber Maria nahm keine Regung in seinem Blick wahr, nur entsetzliche Leere. Ob der Mann, den sie liebte, überhaupt noch atmete, konnte sie nicht erkennen. Die beiden Mönche zerrten ihn wie ein Stück Schlachtvieh in die Mitte des Gewölbes. Die anderen waren damit beschäftigt, hastig die Schriftrollen, Bücher, Folianten und Handschriften aus den Nischen zu räumen und in Kartons zu verstauen und sie ebenfalls in der Mitte aufzuschichten. Eilige, geschäftige Bewegung überall. Keiner der Männer sprach ein Wort. Von den Wänden des Gewölbes hallte nur ihr schwerer Atem wider, das Echo ihrer Schritte und der aufklatschenden Bücher. Die unheimlichen Mönche schienen genau zu wissen, was sie da taten. Im Licht der wenigen Fackeln an den Wänden zählte Maria etwa zwanzig von ihnen.
Und mittendrin: Franz Laurenz. Ihr Vater. Der ehemalige Papst. Der Mann, der sie immer beschützt hatte. Er trug ebenfalls eine grobe schwarze Mönchskutte, die Maria keiner ihr bekannten Gemeinschaft zuordnen konnte, dirigierte die Männer mit knappen Anweisungen und ignorierte Marias Schreien, so gut es ging.
»Mörder!«, brüllte Maria ihren Vater noch einmal an. Einer der Männer, die sie festhielten, versetzte ihr einen Stoß in die Rippen, und sie bekam für ein paar Sekunden keine Luft mehr. Die ganze Zeit über hielt sie die Mayahandschrift fest, die sie bei dem römischen Skelett gefunden hatten.
»Ihr könnt sie loslassen«, hörte sie die Stimme ihres Vaters. Maria stürzte zu Boden. Und dann war er bei ihr, ganz nah, half ihr auf. Sie konnte sein Aftershave riechen, seinen Geruch, seinen Atem, der ihr als Kind immer alle Angst weggepustet hatte. Mit seinen riesigen Händen umarmte er sie, drückte sie wie früher fest an sich.
»Schschsch! Ganz ruhig!«
»Lass mich!«, rief sie und riss sich von ihm los. »Du bist wahnsinnig! Du hast Peter umgebracht!«
»Maria, hör mir zu!«, flüsterte er eindringlich und packte sie wieder. »In Gottes Namen, hör mir zu. Ich weiß – was hier passiert, muss dich verwirren. Ich werde dir alles erklären. Aber eines musst du mir einfach glauben: Ich bin nicht wahnsinnig! Ich habe bloß keine andere Wahl.«
Maria sah ihn fassungslos an. »Du musstest Peter töten?«
Ihr Vater wandte sich kurz zu Peters regungslosem Körper um, der wie ein Schatten vor den aufgestapelten Kartons lag.
»Er ist nicht tot. Aber sobald du die Wahrheit kennst, wirst du dir seinen Tod wünschen. Komm, ich will dir etwas zeigen.«
Widerstrebend folgte sie ihm. Die ganze Zeit über wandte sie den Blick nicht von Peter ab, der immer noch wie tot auf dem Boden lag. »Lebt er wirklich noch?«
»Ja. Das Pfeilgift hat ihn nur vorübergehend gelähmt. Ich bin kein Mörder, Maria.«
Maria wandte den Blick von Peter ab und starrte ihren Vater an, der ihr plötzlich fremder war als irgendjemand sonst.
»Wer bist du?«
Ihr Vater hielt ihren Blick. »Ich bin dein Vater. Ich habe immer versucht, dich zu beschützen. Das hier …«, er deutete auf die verpackten Schriften, »solltest du niemals sehen müssen.«
»Wieso nicht? Was ist das hier?«
»Später, Maria.«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Wer bist du?«, wiederholte sie scharf.
Ihr Vater atmete tief durch. »Ich bin der Hüter der dunklen Bücher, Großmeister des Ordens vom Heiligen Schwert.«
Maria starrte ihren Vater
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