überall. Peter robbte sich über Blutlachen und Scherben hinter die Theke. Er sah, wie die Kinder an der Eistheke noch versuchten, wegzulaufen. Aber auch sie erwischte der Mann mit eiskalter Präzision. Er feuerte und feuerte. Die Flaschen in den Regalen zerplatzten, die Außenfenster der Bar explodierten. Dann wandte sich der Killer kurz um und erschoss als Letztes die beiden Rentner in der Ecke, die das ganze Morden mit starrem Entsetzen verfolgt hatten.
Und mit einem Schlag: Stille. Von der Straße waren nur die Entsetzensschreie zu hören, die den Killer jedoch offensichtlich kaltließen. Peter blieb am Boden, suchte verzweifelt nach irgendetwas, womit er sich schützen oder wehren konnte. Ehe er jedoch etwas fand, kam der Killer gelassen um die Theke herum und richtete die Waffe auf ihn.
»Es wäre klüger gewesen, wenn Sie auf der Île de Cuivre meinem Wunsch entsprochen und mich getötet hätten, Peter«, sagte Edward Kelly, während er seelenruhig nachlud. »Ich fürchte, diese Chance ist nun vertan.«
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[email protected] 4. Juli 2011 19:03:51 GMT+03:00
Betr.: Re: Re: Re: Treffen
Ich hoffe, du verschwendest unsere Zeit nicht, Christ!
Allah sei mit dir,
Sheik Abdullah ibn Abd al Husseini
The Permanent Committee for Islamic Research and Fataawa
Makkah Al-Mukarramah
PO Box 8072
Saudi Arabia
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Von:
[email protected] An:
[email protected] 4. Juni 2011 18:14:05 GMT+01:00
Betr.: Bericht_103
A.a.H. und C.K. haben die Einladung angenommen.
Phase 2 hat begonnen.
Hoathahe Saitan!
P. II.
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XX
9. Juli 2011, Pantheon, Rom
D ie Verzweiflung, nichts tun zu können.
Die Wut auf den eigenen Körper.
Durst. Großer Durst.
Das Jucken an seinem linken Auge machte ihn rasend, der Würgereflex war unerträglich, der Krampf in seinem rechten Unterschenkel fraß sich herauf bis an sein Herz. Schmerz überall. Jeder Atemzug eine Qual, kraftraubende Anstrengung. Ein Kobold hatte von seinem Körper Besitz ergriffen und peinigte ihn mit sadistischer Lust. Und keine Möglichkeit, sich zu kratzen, zu schlucken, die Muskeln zur Entspannung zu strecken. Den Kobold zu vertreiben.
Peter versuchte, seine ganze Konzentration auf seine bionische Hand zu richten. Da sie kein echter Teil seines Körpers war, vermutete er, wäre sie vielleicht immun gegen die Lähmung. Aber Fehlanzeige. Auch seine brandneue, mächtige Hand fühlte sich nur wie ein nutzloser Henkel an diesem Gefäß des Schmerzes an, das sein Körper nun war.
Immer noch unfähig zu irgendeiner Bewegung, hockte Peter auf dem Stuhl, von Fesseln in aufrechter Position gehalten, und sah zu, wie Maria mit ihrem Vater sprach. Wie sie sich mit ihm stritt, sich von ihm abwendete, ihn anschrie. Er verstand nur wenig von dem, was sie sagten, denn die Halle, in der er sich befand, warf ein irritierendes Echo von allen Seiten zurück, und die Ohnmacht gegenüber dem Schmerz raubte ihm den letzten Rest an Konzentration. Er verstand nur, dass er sich in einer geheimen vatikanischen Bibliothek okkulter Schriften befand, die um ihn herum in größter Eile verpackt wurden. Die Kartons wurden mit Sackkarren in einen schwach beleuchteten Gang am Ende der Halle geschafft, dessen Ausgang nicht zu erkennen war.
Die Handschrift. Gib sie ihm nicht, Maria!
Aber er musste mitansehen, wie Laurenz ihr die Handschrift und das Amulett abnahm und einen kurzen Blick darauf warf. Das Amulett steckte er ein. Die Handschrift reichte er einem der Mönche, der sich damit entfernte. Peter nahm seinen ganzen Willen, seine letzte Kraft und Verzweiflung zusammen, um den Kopf ein wenig zu wenden und seine Augen zu zwingen, dem Mönch hinterherzusehen. Für einen kurzen Augenblick. Für wenige Zentimeter. Es reichte, um zu sehen, dass der Mönch die Mayahandschrift in einen Aktenkoffer legte, in dem sich bereits ein anderes Dokument befand.
Handschrift. Koffer.
Die winzige Bewegung hatte ihn so erschöpft, dass er kaum noch Luft bekam. Der Kobold presste seine Lungen zusammen und gestattete ihm keinen Atemzug mehr. Peter glaubte zu ersticken.
Dann spürte er einen Stich im Hals. Etwas Eiskaltes floss in seinen Körper, breitete sich darin aus, verteilte sich schnell wie ein dünnflüssiges Kriechöl. Und verdrängte die Lähmung. Jedenfalls weit genug, dass Peter keuchend und japsend Luft holen konnte. Gierig. Wie zum allerletzten Mal vor dem Ertrinken. Aber der Kobold hatte sich in seine Gliedmaßen