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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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einzunehmen - die Nachtriegel-Pille! Gale hat keine mehr. Da
kann er lange davon reden, den Sprengpfeil manuell auszulösen, er wird keine Gelegenheit
bekommen. Die Waffen werden ihm die Friedenswächter bestimmt als Erstes
abnehmen.
    Ich lasse mich in einen Durchgang fallen, Tränen schießen
mir in die Augen. Erschieß mich, wollte er
sagen. Ich hätte ihn erschießen sollen! Das wäre meine Aufgabe gewesen. Das war
das stumme Versprechen, das wir uns gegeben haben, einer dem anderen. Aber ich
hab's nicht getan und jetzt wird das Kapitol ihn töten oder foltern oder ihn
einweben ... In meinem Innern öffnet sich eine Naht, droht mich zu zerreißen.
Ich habe nur eine Hoffnung. Dass das Kapitol fällt, seine Waffen niederlegt und
seine Gefangenen freilässt, bevor sie Gale etwas antun. Aber solange Snow am
Leben ist, ist das nicht sehr wahrscheinlich.
    Zwei Friedenswächter rennen vorbei und achten kaum auf das
Mädchen aus dem Kapitol, das da an der Tür kauert und vor sich hin wimmert. Ich
schlucke die Tränen hinunter, wische die, die schon heruntergekullert sind,
vom Gesicht, bevor sie dort festfrieren, und reiße mich wieder zusammen.
Letzten Endes bin ich immer noch ein anonymer Flüchtling. Oder haben die
Friedenswächter, die Gale gefangen genommen haben, mich gesehen, als ich
davonlief? Ich ziehe den Mantel auf links, sodass statt der roten Außenseite
das schwarze Futter zu sehen ist. Die Kapuze drapiere ich so, dass sie mein Gesicht
verbirgt. Das Gewehr fest gegen die Brust gedrückt, begutachte ich den
Häuserblock. Nur ein paar verstört wirkende Nachzügler sind zu sehen. Ich
hänge mich an zwei alte Männer, die keine Notiz von mir nehmen. Niemand wird
mich bei alten Leuten vermuten. An der nächsten Kreuzung halten sie plötzlich
an, sodass ich fast in sie hineinlaufe. Wir stehen vor dem Großen Platz.
Jenseits der weiten kreisförmigen Fläche, die von mächtigen Gebäuden umstanden
ist, liegt der Präsidentenpalast.
    Der Platz ist voller Leute, die umherlaufen, weinen oder
einfach nur dasitzen und sich einschneien lassen. Genau die richtige Umgebung.
Ich schlängele mich durch die Menge in Richtung Präsidentenpalast, stolpere
über zurückgelassene Besitztümer und erfrorene Gliedmaßen. Auf halber Strecke
sehe ich den Wall aus Betonbrocken. Er ist gut einen Meter hoch und bildet ein
großes Rechteck vor dem Palast. Man könnte meinen, darin sei niemand, doch das
abgesperrte Gelände ist voller Flüchtlinge. Vielleicht ist das die Gruppe, die
auserwählt wurde, im Palast Zuflucht zu finden? Doch als ich näher komme, fällt
mir noch etwas auf. Hinter dem Wall sind nur Kinder. Vom Säugling bis zum
Teenager. Verängstigt und verfroren. In Gruppen zusammengedrängt oder benommen
auf dem Boden sitzend. Man lässt sie nicht in den Palast. Sie sind dort
eingepfercht und werden auf allen Seiten von Friedenswächtern bewacht. Mir ist
sofort klar, dass das nicht zu ihrem Schutz geschieht. Wenn das Kapitol sie in
Sicherheit hätte bringen wollen, dann wären sie irgendwo in einem Bunker. Aber
sie sollen Snow beschützen. Die Kinder bilden einen menschlichen Schutzschild
für ihn.
    Unruhe kommt auf und die Menge wogt nach links. Kräftigere
Leute überholen mich, drängen mich zur Seite, bringen mich vom Kurs ab. Von allen
Seiten ertönen Rufe: »Die Rebellen! Die Rebellen!« Offenbar haben sie den
Durchbruch geschafft. Ich werde gegen einen Fahnenmast gedrückt und halte mich
daran fest. Mithilfe des herunterhängenden Seils ziehe ich mich aus dem
Gedränge. Jetzt kann ich die Rebellenarmee sehen, die auf den Großen Platz
strömt und die Flüchtlinge zurück in die Hauptstraßen drängt. Ich suche die
Gegend nach Kapseln ab, die bestimmt gleich hochgehen werden. Aber nichts
dergleichen geschieht. Es geschieht etwas anderes.
    Über den eingeschlossenen Kindern erscheint ein Hovercraft
mit dem Wappen des Kapitols. Zahllose silberne Fallschirme regnen auf sie
herab. Selbst in diesem Chaos wissen die Kinder, was die Fallschirme
enthalten. Essen. Medikamente. Geschenke. Eifrig sammeln sie sie auf, die
erfrorenen Finger kämpfen mit den Schnüren. Das Hovercraft verschwindet, fünf
Sekunden vergehen, dann explodieren etwa zwanzig der Fallschirme gleichzeitig.
    Ich höre Schreie aus der Menge. Der Schnee ist rot,
überall liegen kleine Körperteile herum. Viele Kinder sind auf der Stelle tot,
andere liegen sterbend auf dem Boden. Manche taumeln stumm umher, starren auf
die noch heilen Fallschirme in ihren

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