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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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und
versucht, sie wach zu rütteln. Die dritte Salve erwischt das Mädchen auf
Brusthöhe und färbt seinen gelben Mantel rot. Es kippt nach hinten weg. Ich
starre auf die kleine zusammengesunkene Gestalt und bin einen Moment lang
unfähig, etwas zu sagen. Gale stößt mich mit dem Ellbogen an. »Katniss?«
    »Die Schüsse kommen vom Dach über uns«, sage ich. Ich sehe
noch mehr weiße Uniformen, die auf die verschneiten Straßen strömen. »Sie
zielen auf die Friedenswächter, aber sie sind nicht besonders treffsicher. Es
müssen die Rebellen sein.« Ich empfinde keinen Triumph, obwohl meine
Verbündeten offenbar den Durchbruch geschafft haben. Ich bin ganz gebannt von
dem zitronengelben Mantel.
    »Wenn wir jetzt schießen, war's das«, sagt Gale. »Dann
weiß alle Welt, dass wir es sind.«
    Das ist wahr. Wir haben nur unsere berühmten Bogen. Ein
Pfeil würde beiden Seiten signalisieren, dass wir hier sind.
    »Nein«, sage ich energisch. »Wir müssen Snow kriegen.«
    »Dann machen wir uns lieber aus dem Staub, bevor die ganze
Straße in die Luft fliegt«, sagt Gale. Wir halten uns dicht an der Häuserwand.
Nur dass die Wand hauptsächlich aus Schaufenstern besteht, an die sich
schwitzende Handflächen und gaffende Gesichter drücken. Ich ziehe mir den Schal
über die Wangenknochen. Hinter einem Verkaufstisch mit gerahmten Porträts von
Snow stoßen wir auf einen verwundeten Friedenswächter, der an einer Ziegelmauer
lehnt. Er bittet uns um Hilfe. Gale rammt ihm das Knie gegen die Schläfe und
nimmt sein Gewehr an sich. An der Kreuzung erschießt er einen zweiten Friedenswächter,
jetzt haben wir beide Feuerwaffen.
    »Und wen sollen wir jetzt darstellen?«, frage ich.
    »Verzweifelte Bürger des Kapitols«, sagt Gale. »Die
Friedenswächter werden denken, dass wir auf ihrer Seite stehen, und die
Rebellen haben hoffentlich interessantere Ziele.«
    Ob das so schlau ist, frage ich mich, während wir über die
Kreuzung sprinten. Doch als wir die andere Seite erreichen, spielt es keine
Rolle mehr, wer wir sind. Wer überhaupt jemand ist. Denn auf Gesichter achtet
hier niemand. Die Rebellen sind schon da. Sie strömen auf die Straße, suchen
Deckung in Hauseingängen und hinter Fahrzeugen, Gewehrfeuer blitzt auf, heisere
Stimmen rufen Kommandos, sie bereiten sich darauf vor, eine Armee aus
Friedenswächtern anzugreifen, die auf uns zumarschiert. Mittendrin sitzen die
Flüchtlinge in der Falle, unbewaffnet, orientierungslos, viele verletzt.
    Vor uns geht eine Kapsel los und setzt einen Dampfstrahl
frei, der jeden, der davon getroffen wird, augenblicklich verbrüht. Die Opfer
sind im Nu rosa wie Eingeweide und mausetot. Danach ist das letzte bisschen
Ordnung dahin. Die Dampfkringel werden eins mit den Schneeflocken und meine
Sicht reicht kaum noch bis zum Ende meines Gewehrlaufs. Friedenswächter,
Rebell, Bürger - wer weiß? Alles, was sich bewegt, gibt ein Ziel ab. Die Leute
schießen reflexhaft und ich bilde keine Ausnahme. Mit klopfendem Herzen und
voller Adrenalin sehe ich in jedem einen Feind. Nur nicht in Gale. Mein Jagdgefährte,
der Einzige, dem ich vertraue. Uns bleibt nichts anderes übrig, als
vorzurücken und jeden zu töten, der unseren Weg kreuzt. Schreiende Menschen,
blutende Menschen, tote Menschen überall. Als wir die nächste Ecke erreichen,
erstrahlt der ganze Straßenzug vor uns in einem leuchtend violetten Glanz. Wir
ziehen uns zurück, verschanzen uns in einem Treppenaufgang und blinzeln in den
Lichtschein. Mit denen, die von dem Licht erfasst werden, geschieht etwas. Sie
werden angegriffen, aber wovon? Von einem Geräusch? Einer Welle? Einem Laser?
Sie lassen die Waffen fallen, schlagen die Hände vors Gesicht, während aus
allen sichtbaren Körperöffnungen - Augen, Nase, Mund, Ohren - Blut spritzt. In
weniger als einer Minute sind alle tot und der Glanz erlischt. Ich beiße die
Zähne zusammen und renne los, springe über die Leichen, rutsche in den
Blutlachen aus. Der Wind treibt die Schneeflocken in Wirbeln zusammen, die mir
die Sicht nehmen, doch er übertönt nicht das Getrampel einer neuen Welle von
Stiefeln, die uns entgegenkommen.
    »Runter!«, zische ich Gale zu. Wir lassen uns sofort
fallen. Mein Gesicht landet in einer noch warmen Blutlache, aber ich tue so,
als wäre ich tot, rühre mich nicht, während die Stiefel über uns
hinwegpoltern. Manche versuchen, nicht auf die Leichen zu treten. Andere
trampeln auf meiner Hand, meinem Rücken herum, streifen im Vorbeigehen meinen
Kopf. Als

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