Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
Vom Netzwerk:
durch
einen Befehl stoppen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wieso ich das tun
sollte. Um den Bogen zu deaktivieren, muss ich nur »Gute Nacht« sagen. Dann
geht er schlafen, bis ihn meine Stimme wieder weckt.
    Als ich Beetee und Gale zurücklasse und mich auf den Weg
zu meinem Vorbereitungsteam mache, bin ich bester Laune. Geduldig lasse ich die
Schminkprozedur über mich ergehen und ziehe mein Kostüm an, das nun um einen
blutigen Verband über der Narbe an meinem Unterarm ergänzt ist: Er soll darauf
hinweisen, dass ich frisch vom Schlachtfeld komme. Venia steckt mir die
Spotttölpelbrosche über dem Herzen an. Ich nehme meinen Bogen und den Köcher
mit den normalen Pfeilen aus Beetees Produktion, denn mit den Spezialpfeilen
würde man mich hier niemals herumspazieren lassen. Anschließend gehen wir ins
Filmstudio, wo ich stundenlang dastehe, während sie Make-up, Beleuchtung und
Rauchdichte einrichten. Irgendwann werden die Kommandos, die über eine Gegensprechanlage
von unsichtbaren Personen in dem geheimnisvollen verspiegelten Kabuff gegeben
werden, weniger und weniger. Fulvia und Plutarch schauen mich jetzt bloß noch
an und müssen kaum mehr Anweisung zum Nachbessern geben. Schließlich wird es
still am Set. Volle fünf Minuten lang werde ich nur gemustert. Dann sagt Plutarch:
»So wird's gehen, denke ich.«
    Ich werde zu einem Monitor gewinkt. Dort sind die letzten
fünf Minuten zu sehen und ich betrachte die Frau auf dem Bildschirm. Ihr Körper
wirkt größer, imposanter als meiner. Ihr Gesicht ist schmutzig, aber sexy. Die
Brauen schwarz und in einem trotzigen Winkel nachgezeichnet. Aus der Kleidung
steigen kleine Rauchfahnen und suggerieren, dass die Frau entweder eben erst
gelöscht wurde oder im nächsten Augenblick in Flammen aufgeht. Ich kenne diese
Person nicht.
    Finnick, der sich schon seit Stunden am Set herumtreibt,
tritt hinter mich und sagt in einem Anflug seines alten Humors: »Entweder
wollen sie dich töten oder küssen oder du sein.«
    Alle sind so aufgekratzt, so zufrieden mit ihrem Werk. Eigentlich
ist es bald Zeit fürs Abendessen, aber sie bestehen darauf, dass wir
weitermachen. Morgen werden wir uns auf die Reden und Interviews konzentrieren,
in denen ich behaupte, Seite an Seite mit den Rebellen zu kämpfen. Heute
brauchen sie nur einen Slogan, eine Zeile, die sie in einen kurzen Propo
einbauen und Coin vorführen können.
    »Volk von Panem, wir kämpfen, wir wagen, wir wollen
endlich Gerechtigkeit!« So lautet der Text. An der Art,
wie sie ihn präsentieren, kann ich erkennen, dass sie Monate, vielleicht Jahre
daran gefeilt haben und richtig stolz darauf sind. Aber auf mich wirkt er wie
ein Zungenbrecher. Und steif dazu. Ich kann mir nicht vorstellen, so etwas im
echten Leben zu sagen - höchstens ironisch, mit Kapitolakzent. Wie damals, als
Gale und ich Effie Trinkets Standardspruch »Möge das Glück stets mit euch
sein!« nachgeäfft haben. Doch jetzt stellt Fulvia sich vor mich hin und erzählt
mir von der Schlacht, die ich gerade geschlagen habe, meine Kameraden liegen
allesamt tot da, und ich soll mich der Kamera zuwenden und meinen Text
aufsagen, um die Lebenden um mich zu scharen!
    Ich werde zurück an meinen Platz gezerrt, die Rauchmaschine
wird eingeschaltet. Ruhe wird geboten, die Kameras laufen, dann ruft jemand:
»Action!« Ich halte den Bogen über meinen Kopf und brülle, so zornig ich kann: »Volk von
Panem, wir kämpfen, wir wagen, wir machen unserem Hunger nach Gerechtigkeit
ein Ende!«
    Stille senkt sich über das Set. Und es bleibt still.
Totenstill.
    Schließlich krächzt es in der Gegensprechanlage und Haymitchs
ätzendes Lachen hallt durchs Studio. Er muss so lachen, dass er Mühe hat, den
Satz herauszubringen: »Und damit, Freunde, wäre die Revolution gestorben!«
     
    6
     
    Der Schock gestern, Haymitchs Stimme zu hören, die
Erkenntnis, dass er nicht nur wieder im Einsatz ist, sondern in gewissem Maß
erneut über mein Leben bestimmt, hat mich wahnsinnig wütend gemacht. Ich bin
schnurstracks aus dem Studio gerannt, und heute habe ich mich erst mal
geweigert, seine Kommentare aus dem Kabuff zu beherzigen. Obwohl ich sofort
wusste, dass er recht hat, was meinen Auftritt betrifft.
    Den ganzen Vormittag hat es gebraucht, bis er die anderen
davon überzeugt hatte, dass meine Möglichkeiten begrenzt sind. Dass ich es
nicht hinkriege. Ich kann nicht geschminkt und verkleidet und in einer künstlichen
Rauchwolke in einem Fernsehstudio stehen und die Distrikte

Weitere Kostenlose Bücher