Colorado Saga
nach hinten.
Mit einem ohrenbetäubenden Knall ging das Gewehr los. Tönerne Schale hatte genug Pulver aufgeschüttet, um eine Kanone abzuschießen, und Pasquinel, der aus der Hütte gerannt kam, sah eine dicke, schwarze Rauchwolke sowie McKeag, der auf dem Erdboden lag. Seine Wunde war durch den Rückstoß zwar wieder aufgerissen, Tönerne Schale aber stillte das Blut mit feuchten Blättern. Eine Woche darauf, als sich gerade wieder ein Narbengewebe zu bilden begann, nahm Tönerne Schale McKeag noch einmal mit ans Gewehr. »Diesmal lade ich aber selbst«, erklärte er, doch als er den Kolben an die Schulter gehoben hatte, waren die Schmerzen noch immer zu groß. Also legte die Kleine wieder ihren Finger über den seinen und drückte ab. Als er freiwillig noch einmal lud und diesmal allein abdrückte, war sie so stolz auf seine Tapferkeit, daß sie ihm scheu die Lippen auf den roten Bart drückte. Inzwischen wurde es für die Arapaho Zeit weiterzuziehen, sich wieder eine Herde zu suchen, von deren Fleisch sie den Winter hindurch leben konnten. Der Lahme Biber kam, um Lebewohl zu sagen, und Blaues Blatt, schlank und gerade wie eine Fichte, versicherte McKeag, seine Schulter sei nun gesund. Tönerne Schale, sehr hübsch aussehend mit ihren leuchtendbunten Perlen, berührte zart ihrer beider Wangen und sagte auf englisch zu ihnen: »Ich weiß, daß ihr wiederkommt.«
Schneefälle kamen, Winde fegten von Norden herab. Der Fluß fror zu, und sogar das Hochwild fand kaum Wasser. Vom Himmel herab inspizierten Adler das Lager, während die beiden Männer wartend in ihrer Hütte saßen.
Es gab natürlich Tage, da es ganz windstill war und die Sonne so warm schien wie im Sommer. Dann arbeiteten die beiden Partner mit nacktem Oberkörper im Freien. Die Biber in ihren Burgen wurden so unruhig, als sei schon Frühling, und auf den Wiesen grasten die Hirsche.
Nach solchen Atempausen kamen jedoch wieder Schneestürme und Temperaturen von mehr als dreißig Grad unter dem Gefrierpunkt. Wochenlang waren die beiden Männer eingeschneit. Die Schneewehen türmten sich höher als das Hüttendach, so daß sie sich wie die Tiere durch sie hindurchwühlen mußten. Das machte ihnen nichts aus, sie hatten reichlich Vorrat an Fleisch und Holz. Und wenn sie Wasser brauchten, konnten sie den Schnee schmelzen - davon war weiß Gott genügend vorhanden.
Bücher hatten sie natürlich nicht, was nicht schmerzlich war, denn sie konnten nicht lesen. Sie hatten keine Arbeit, kein Ziel und keine Sorge, außer der zu überleben. Und so hockten sie tief unter dem Schnee begraben und warteten. In einem Umkreis von fünfhundert Meilen gab es keine Weißen, es sei denn, den einen oder anderen eigensinnigen Trapper aus Detroit, der sich in einem nördlicher liegenden Tal verkrochen hatte und nun genau wie sie den Frühling erwartete.
Gelegentlich unterhielten sie sich, zumeist aber saßen sie schweigend da. Sie hatten inzwischen schon sechs Ballen Felle, die mindestens 3600 Dollar wert waren, und Aussicht, während der kommenden Saison sechs weitere einzuhandeln. Sie waren reich - wenn es ihnen gelang, die Felle sicher durch das gefährliche Indianergebiet nach St. Louis zurückzubringen.
Bei den seltenen Gelegenheiten, da sie sich unterhielten, benutzten sie eine sonderbare Sprachmischung: Französisch-Pawnee-Englisch.
McKeags Muttersprache war Gälisch, eine weiche, poetische Sprache. Er sprach langsam und fast stockend, Pasquinel hingegen rasch und fließend. Trotzdem vergingen ganze Tage, ohne daß zwischen den beiden ein einziges Wort fiel.
Dann endlich nahm der Schneefall ab, und die Schneewehen begannen zu schmelzen. Die Bergbäche schwollen an, der Fluß verwandelte sich in einen reißenden Strom. Die Biber in ihren Burgen regten sich, die Hirsche warfen das vorjährige Geweih ab. Die Büffel scharrten aufgeregt die Erde, die wilden Truthähne kamen aus ihren Winterquartieren. Während der Wärmeperioden tauchten aus den tiefen Felsspalten Klapperschlangen auf. Und eines Tages,
als sie von der ganzen Pracht des Frühlings umgeben waren, erklärte Pasquinel: »Noch sechs Wochen
handeln wir, dann geht's nach Hause.«
Als sie sich den Missouri hinab der Heimat näherten und jenes endlose Stück entlangpaddelten, auf dem der Fluß vor seiner Vereinigung mit dem Mississippi von Westen nach Osten verläuft, wurden ihre rhythmischen Paddelschläge durch das Auftauchen eines einzelnen Mannes in einem Kanu unterbrochen, der ihnen
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