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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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zurückversetzt: Er sah seine Mutter am Torffeuer stehen und seinen Vater, der die Schafe versorgt hatte, zur Tür hereinkommen. Und gleich darauf, sosehr er seine Gedanken auch in eine andere Richtung zu zwingen versuchte, sah er sich selbst in einer gelben Schürze beim großen Treffen tanzen und Pasquinel vortreten, um mit ihm zu tanzen. Er konnte nicht länger leugnen, wie sehr er diesen schwierigen Mann liebte.
    Sie hatten Seite an Seite gekämpft, und jeder hatte dem anderen das Leben gerettet. In langen Wintermonaten hatten sie gemeinsam an spärlichen Feuern gesessen, hatten tagelang kaum miteinander gesprochen. Sie waren von derselben Frau, von dieser unvergleichlichen Arapaho, geliebt worden. Und vor allem hatten sie zusammen einen unerforschten Kontinent durchstreift. Sie waren enger verbunden als zwei Brüder. Sie waren Söhne des Büffels, Erben der großen Prärie.
    Durch Pasquinel hatte McKeag gelernt, was es bedeutete, frei zu sein, ein Mensch inmitten der endlosen Prärie, begrenzt nur noch von einem Horizont, der ebenfalls endlos weit zurückwich, wenn man sich ihm näherte. Wie jämmerlich eng war doch der Horizont in Schottland gewesen: ein schmales Hochlandtal, beherrscht von einem reichen Mann, vor dessen Macht alle Bewohner zitterten. Hier, westlich des Missouri, gab es keine reichen Männer, sondern nur Männer, die mutig und tüchtig waren. Einen Mann, dem es an einer dieser Eigenschaften mangelte, fand unweigerlich einen schnellen Tod.
    Und doch: Wenn McKeag jetzt, zweiunddreißig Jahre später, an Pasquinel dachte, fragte er sich, ob der Franzose die Bedeutung dieser Freiheit jemals richtig begriffen hatte. Stets hatte er die Gesellschaft von Frauen gesucht, war ihnen aber beim ersten Anzeichen von Anteilnahme entflohen. Seine Kinder hatte er geliebt, die Sorge um sie aber ihren Müttern überlassen. Er war immer vor irgend etwas davongelaufen - tapfer, wenn es um physische Auseinandersetzungen ging, ein Feigling in moralischen Dingen. Er hatte es als Freiheit bezeichnet, in Wirklichkeit aber war es Flucht.
    McKeag, der Zurückhaltende, empfand Mitleid mit Pasquinel, dem selbstsicheren Organisator ihrer Abenteuer. Er bedauerte, daß ein so tapferer Mann so armselig enden mußte, gleichzeitig aber war ihm klar, daß sie noch immer durch die unauflöslichen Bande gemeinsam überstandener Gefahren und gemeinsam geleisteter Arbeit aneinandergekettet waren. Und plötzlich wollte er nicht länger allein leben, wollte mit Pasquinel und Tönerner Schale ein Tipi auf der weiten Prärie teilen und mit dem Freund auf Biberjagd gehen. Eine Woche lang überlegte er, welche Schritte zur Ausführung dieses Entschlusses notwendig waren: Beim nächsten Treffen werde ich mich wieder mit ihm zusammentun! Von diesem Vorsatz neu belebt, begann er sich auf den Sommer zu freuen, und das Eingeschlossensein in dieser Höhle fiel ihm nicht mehr so schwer.
    Und dann, an einem strahlend schönen, sonnigen Tag im März, als er hinauskroch, um nachzusehen, ob der Frühling schon zu den Bächen kam, in denen er seine Fallen aufstellen wollte, fühlte er sich plötzlich von einer Macht gepackt, die stärker war, als er es je erlebt hatte. Es war, als zöge ihn eine Riesenhand davon, und dann hörte er sich selbst aufschreien: »Pasquinel braucht mich!« In unerklärlicher Hast und Aufregung packte er zusammen, was er tragen konnte, schnallte sich ein paar Schneeschuhe an die Füße und machte sich auf den beschwerlichen Weg zum Blauen Tal.
    Die Schneewehen waren hoch, die Sonne blendete. In diesem Wetter den Marsch in die Berge zu wagen war absurd, aber er war überzeugt, daß Pasquinel dort sein mußte, und er stapfte unermüdlich weiter.
    Als die Nacht hereinbrach, kauerte er sich in den Windschatten eines Felsens und bedeckte sich, um nicht zu erfrieren, mit losem Schnee. Vor Morgengrauen nahm er seine Wanderung wieder auf und arbeitete sich den ganzen Tag lang durch hohe Schneewehen.
    Endlich stieß er auf den Bach, der vom Blauen Tal herunterkam, und konnte sich nun nach dem kleinen Biber richten, der die Bergflanke emporkletterte. Während er sich dem Plateau näherte, auf dem das Tal lag, kam ihm jedoch ein schrecklicher Gedanke: Wenn nun Pasquinel gar nicht dort oben ist? Nein, unmöglich! An so etwas wollte er gar nicht denken.
    Mit neu gewonnener Energie erklomm er auch die letzten Felsen und blickte in das Tal hinab. Mit ungeheurer Erleichterung sah er die Hütte unten liegen und um sie her Anzeichen von Leben,

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