Colorado Saga
die jedem Uneingeweihten entgangen wären: einen
abgebrochenen Zweig, zertretenen Schnee, wo ein Gabelbock erlegt worden war.
Er lief, so schnell es seine Schneeschuhe erlaubten, und rief noch im Laufen: »Pasquinel! Ich bin's!«
Kein Mensch rührte sich, bis er die Hütte fast erreicht hatte. Da erst sah er, daß die Tür aus den Angeln gerissen war und Tönerne Schale, ein Kind auf dem Arm, auf der Schwelle stand. Ihr Gesicht war blutverschmiert.
»Pasquinel!« schrie McKeag in das Schweigen.
Hastig streifte er die Schneeschuhe ab und lief ins Haus. Dort auf dem Boden, Gesicht nach unten, lag Pasquinel, von Pfeilen durchbohrt, skalpiert. McKeag starrte den Toten verstört an. Dann kniete er neben ihm nieder und drehte ihn um, als erwarte er, noch einen Funken Leben zu finden.
»Wer war das?«
»Shoshone.«
»Und die Jungen? Haben sie nicht geholfen?« »Pasquinel hat sie bei den Sioux gelassen.«
Er kappte die Pfeile, die aus dem Körper des Toten ragten, und machte ihn für die Beerdigung fertig. Er wusch ihm das Blut ab und holte Holz, damit das Feuer nicht erlosch. Vor Sonnenuntergang hatte er eine Stelle vom Schnee freigeschaufelt und ein flaches Grab in den gefrorenen Erdboden gehackt. Darin beerdigten sie Pasquinel, den Mann mit den vielen Wunden, den Mann mit den vielen Siegen.
In jener Nacht erinnerte sich McKeag daran, daß sein Partner oft prophezeit hatte, er werde eines Tages von den Indianern getötet werden. Nun war es tatsächlich so gekommen. Sie hatten ihn überfallen, als er sich niederkniete und das Bachbett untersuchte, einen Kieselstein nach dem anderen umdrehte, um nachzusehen, ob dies vielleicht die Stelle war, wo Lahmer Biber sein Gold gefunden hatte. Als sie seinen Körper mit Pfeilen durchbohrten, hatte er gerade nach einem glänzenden Gegenstand gegriffen. Schwer verwundet war er zur Hütte zurückgewankt, um seine Frau und seine Tochter zu beschützen, wie er in einem Kampf ja immer die Schwachen beschützt hatte. Sie aber waren Holz suchen gegangen, und so hatte er allein sterben müssen, wie er es immer geahnt hatte.
Im Tode hatte er zwei Dollar und achtzig Cent in den Taschen, schuldete dagegen viertausend; das glänzende Nugget, das er entdeckt hatte, war bald darauf wieder mit Flußsand bedeckt.
Zwei beklommene Tage lang blieb McKeag im Blue Valley, dann zog ihn sein Pflichtgefühl zu seinen eigenen Fallen, zu seinem Tunnel unter dem Schnee zurück.
»Stell deine Fallen hier auf«, sagte Tönerne Schale leise.
»Deine Söhne werden für dich sorgen«, entgegnete er.
»Sie sind fort«, sagte sie. Dann herrschte Schweigen, bis sie flüsterte: »Ich bin allein.«
Diese Worte trafen McKeag, denn es waren seine eigenen, so oft ausgesprochen, die ihm jetzt entgegengehalten wurden. Verwirrt versuchte er seine Gedanken zu ordnen, aber die Ordnung wollte sich nicht einstellen. Alles, woran er denken konnte, war, daß er nicht mehr allein sein wollte. Er war einen schneebedeckten Berg hinaufgeklettert, um die brüderliche Gemeinschaft von damals wiederzufinden, und hatte dann feststellen müssen, daß das nicht mehr möglich war.
Kann es sein, fragte er sich, daß der geheimnisvolle Ruf, der an ihn ergangen war, nicht Pasquinel, sondern Tönerner Schale galt? Aber er hatte Angst. Er hatte eine tiefe Angst davor, daß es ihm nicht bestimmt war, sein Leben mit einer Frau zu verbringen. Besonders fürchtete er sich davor, daß sie ihn auslachen würde, genauso auslachen wie die Indianerinnen, die er über ihre Männer hatte lachen hören.
Drei Tage lang kämpfte er mit diesem Problem und hatte sich fast eingeredet, daß es sein Schicksal war, allein zu bleiben. Als er jedoch zu dem hohen Berg emporblickte und den Steinbiber sah, der auf ewig an ihm hinaufkletterte, wurde ihm klar, daß Menschen genau wie Tiere Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten, überwinden mußten.
Mit neuem Mut kehrte er zur Hütte zurück. »Heute brechen wir auf, den Bach hinunter«, erklärte er.
»In diesem Schnee?« fragte sie.
»Dort unten sind meine Fallen.«
»Und die Kleine?«
»Sie soll meine Tochter sein.« Liebevoll nahm er das Kind in seine Arme. »Sie soll Lucinda heißen.«
Als sie sich jedoch auf den Weg machen wollten und ihm auf einmal klar wurde, daß er die lebenslange Verantwortung für diese beiden Menschen übernommen hatte, kehrten seine Zweifel wieder. Er setzte das Kind ab und ergriff die Hände der Indianerin. »Du wirst mich nicht auslachen?« fragte er
Weitere Kostenlose Bücher