Colorado Saga
konnte; sie glich mehr einem dicken Sirup und roch furchtbar. Rebekka mochte diese Art von Käse nicht, er schien vor allem Männern zu schmecken.
»Mein Papa mag Weichkäse«, sagte sie mit nichtssagendem Gesichtsausdruck.
»Und du nicht?«
»Er riecht mir zu sehr.«
»Das ist doch das Beste daran.« Levi hob das Stück Brot an die Nase und sog tief den Geruch ein. Es gab nur wenige Sachen auf der Welt, die er lieber mochte als diesen Geruch. Vor ziemlich langer Zeit hatten die deutschen Farmer aus Lancaster County mehr durch Zufall einen Käse hergestellt, der noch stärker roch als der Limburger und auch besser schmeckte. Levi aß heißhungrig alles auf und leckte zum Schluß sogar noch den Käsebehälter aus. Als er zu dem Kirschpudding kam, bot er Rebekka davon an, und sie nahm sich ein Stück.
»Amos Boemer mußte gestern seine Glocken hergeben«, sagte er, als sie mit dem Essen fertig waren.
»Wirklich?«
»Er hat so geflucht, wie ich es noch nie gehört habe.« »Vielleicht hat er sie deswegen verloren.«
»Nein. Er geriet östlich von Coatesville in eine Schneewehe.«
Rebekka langweilte sich offensichtlich, und nachdem sie sich mühsam noch etwas unterhalten hatte, sagte sie: »Ich muß meinem Papa wieder helfen.« Sie tätschelte ihm den Arm, worauf ihn Schauer überrieselten, und tänzelte davon. Als sie am Zendtschen Stand vorbeiging, lächelte sie Mahlon strahlend zu.
Als Levi zurückkam, war Mahlon dunkelrot vor Zorn und ließ nicht einmal zu, daß Levi die Kunden bediente, während er sein Mittagessen einnahm. Levi fühlte sich keiner Schuld bewußt. Achselzuckend ging er hinaus zu den Schlitten und unterhielt sich mit den Brüdern, die dort arbeiteten.
Am Tagesende legten Mahlon und Christian nach einem alten Brauch, den die Zendts seit langem in Ehren gehalten hatten, für das Waisenhaus Fleischstücke in Körbe. Gegen fünf Uhr, wenn der Markt zu Ende war, wurden diese Körbe in Levis Schlitten verstaut, und es war seine Aufgabe, sie im Waisenhaus abzuliefern, während seine Brüder schon nach Hause fuhren.
An diesem Abend kam Rebekka Stoltzfuß plötzlich aus dem Stand ihres Vaters herausgelaufen und hüpfte in Levis Schlitten. »Ich helfe dir beim Abliefern«, rief sie, und Levi, ganz benommen vor Glück, fuhr an den verblüfften Brüdern vorbei.
Das Waisenhaus, das von Schwestern der St.-James-Episkopalkirche geleitet wurde, stand am Stadtrand. Die Vorsteherin wartete schon in Begleitung von Elly Zahm, die in der Anstalt Hilfsdienste aller Art verrichtete und die Körbe in die Küche schaffen sollte. »Ich helfe ihr«, bot Levi an, doch die Vorsteherin lehnte ab.
»Sie haben schon genug getan, indem Sie das Fleisch zu uns gebracht haben. Elly kann es gut allein schaffen.«
Als der Schlitten das Waisenhaus verließ und in die dunkle Straße zur Stadt einbog, geschah etwas, was Levi bis ans Ende seines Lebens nicht begreifen würde. Die Nähe des anmutigen, schönen Mädchens, das freiwillig in seinen Schlitten gestiegen war, überwältigte ihn, und er versuchte, sie auf ungeschickte und rauhe Art zu umarmen und zu küssen. Als sie ihn spröde zurückstieß, begann er an ihrem Kleid zu zerren und zerriß es. Es war eine entsetzliche Szene, Rebekka begann hysterisch zu kreischen und sprang vom Schlitten. Durch das Geschrei kamen einige Mädchen neugierig aus dem Waisenhaus gestürzt, um zu sehen, was passiert war. Rebekka fiel Elly Zahm weinend in die Arme. »Er ist furchtbar«, wimmerte sie und brachte es fertig, ohnmächtig zu werden.
Am Samstagmorgen war der Zwischenfall das Tagesgespräch von ganz Lancaster, und schließlich erreichte die unangenehme Nachricht auch die Zendtsche Farm. Als Mahlon davon erfuhr, mußte er sich setzen. Er konnte es kaum glauben, daß einer seiner Brüder... Ihm wurde übel. Dann steigerte er sich in einen gewaltigen Zorn hinein, lief zur Tür und brüllte: »Levi! Herkommen!«
Den ganzen Morgen über hatte Levi vor diesem Moment gebangt. Er hatte sich in die Räucherkammer geflüchtet und sich dort der schmutzigsten Arbeit auf der ganzen Farm, dem Reinigen des Rauchfangs, gewidmet, in der Hoffnung, auf diese Weise der Aufmerksamkeit zu entgehen. Er tat so, als hätte er nichts gehört, und arbeitete verbissen weiter, aber bald wurde die Tür aufgerissen, und Mahlons wütende Stimme ertönte: »Komm raus, du Teufelsbraten!« Halbtot vor Scham kletterte Levi langsam an den zum Räuchern aufgehängten Schinken und Würsten vorbei aus dem Rauchfang
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