Colorado Saga
die besten Hickoryholzscheite aus, legte sie einzeln auf das glimmende Feuer und ließ den Rauch über sich hinstreifen, als könne er sich damit von dem Makel reinigen, der an ihm haftete.
Er brachte es nicht über sich, den Brüdern beim Mittagessen gegenüberzusitzen. Allein wanderte er unter den entlaubten Bäumen herum und sprach vor sich hin. Dann malte er sich aus, wie er sich bei Peter Stoltzfuß entschuldigte, während Rebekka dabeistand, und er schämte sich so, daß er das Gefühl hatte, selbst die Bäume müßten sich von ihm abwenden.
Am Nachmittag, als er gerade an der Wurstmaschine arbeitete, kam die Mutter zu ihm und brachte ihm Käse und Brot. »Mahlon ist schwer gekränkt«, sagte sie. »Du mußt ihm verzeihen.«
Ohne Appetit aß er langsam den Käse, leckte sich gewohnheitsmäßig die Finger ab und hörte seiner Mutter zu. »Mir macht es nichts aus, was mit dem Stoltzfuß-Mädchen passiert ist. Schon das erste Mal, als ich sie sah, wußte ich, daß sie ein leichtsinniges Geschöpf ist, und Peter Stoltzfuß verwöhnt sie einfach zu sehr. Hoffentlich heiratet Mahlon sie nicht. Vielleicht hast du uns allen im Grunde einen großen Dienst erwiesen, Levi.«
Der Sonntag war noch schlimmer. Die Brüder bestanden darauf, daß er mit zur Kirche ging, damit die Kirchengemeinde seine Schande sehen konnte, und er mußte im Betstuhl der Familie sitzen und die vielen Blicke ertragen. Er wußte, daß alle versammelten Mennoniten von dem Vorfall gehört hatten, der als tätlicher Angriff auf die Ehre des Stoltzfuß-Mädchens angesehen wurde. »Vergewaltigung«, flüsterte in der Reihe hinter ihm ein Vater seinen Töchtern zu. »Der Teufel selbst ist hier in Lampeter am Werk.«
Nach dem Gottesdienst traf Levi ein Hagel verdammender Blicke, als Mahlon und Christian mit lauter Stimme erklärten, daß die ganze Familie voller Scham über das Vorgefallene sei - tief gedemütigt, wie Mahlon es nannte -, und daß Levi sich am Dienstag bei dem Stoltzfuß-Mädchen und seinem Vater öffentlich entschuldigen würde.
Das Ärgste kam jedoch beim Mittagessen, als Reverend Fenstermacher und seine säuerliche Frau Bertha zu ihrem üblichen freien Essen in der Zendtschen Küche auftauchten. Der Geistliche sagte taktvoll zu Mahlon: »Ihr erwartet uns zwar zum Essen, aber unter den tragischen Umständen, die über eure Familie hereingebrochen sind, wollt ihr vielleicht doch... « Dabei aus ganzem Herzen hoffend, Mahlon würde die Einladung nicht rückgängig machen.
Und Mahlon sagte: »Aber nein. Natürlich bleiben Sie. Vielleicht können Sie seine schwarze Seele etwas erleuchten.« Die Fenstermachers waren ganz einverstanden, denn sie schätzten die ausgezeichnete Küche von Mrs. Zendt.
Die Zendts waren in Lancaster bekannt dafür, als typische Händlersfamilie das Beste auf den Markt zu bringen und nur den Ausschuß für die häusliche Küche zu verwenden. In gewissem Sinn stimmte das auch. Mahlon würde seiner Mutter nie die ausgewähltesten Stücke vom Rind oder die besten Äpfel aus dem Obstgarten geben; die waren ausschließlich für die Familien von James Buchanan und Thaddeus Stevens bestimmt. Mrs. Zendt bekam nur die zweite oder dritte Wahl, war jedoch eine so gute Köchin, daß sie daraus schmackhafteres Essen bereitete als andere aus den besten Zutaten. Und wenn der Geistliche kam, übertraf sie sich selbst.
Es war eine reichhaltige Tafel, die sie an diesem Tag bereitet hatte. Sowohl der Eßtisch als auch die Tische an der Wand waren voller köstlicher deutscher Gerichte. Mrs. Zendt hatte zwar nie die alte Hausregel befolgt, wonach eine Tafel sieben süße und sieben pikante Gerichte enthalten mußte, aber sie sorgte für großzügige Vielfalt. An Fleischgerichten gab es eingelegten Rinderbraten, geschmorte Soße aus Dörrfleisch, Schweinelenden und Überbleibsel des letzten Schinkens, an Geflügel eine zarte, knusprig gebratene Henne und einen gedünsteten Gockel, dazu Knödel. Das Gemüse bestand aus sämigem Kartoffelbrei, kandierten Yamswurzeln, Tomaten, Erbsen, selbstgezüchteten Zwiebeln und grünem Salat mit geröstetem Speck. Dazu kamen fünf verschiedene saure Beilagen: Zwiebeln, rote Bete, Pfefferkohl,
Mixed Pickles in Senfsoße und grüne Gurken. Den Abschluß bildeten vier Kompotte: Apfelkompott,
eingelegte Birnen und Pfirsiche und eine große Schüssel mit eingemachten Kirschen, und vier Obstkuchen: Apfel, Kirschen, Zitronenbaiser und ein Obstkuchen mit Zimtbrotkrümeln, eine Spezialität von
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