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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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gedemütigt war, um sich zu erheben. Doch dann nahm er sich zusammen, rieb sich die schmerzende Nase, stand auf und verließ den Markt.
    Am Abend um fünf Uhr belud er den Schlitten mit den übriggebliebenen Fleischwaren und fuhr zum Waisenhaus, wo ihn die Vorsteherin ein Tier schimpfte und ihm befahl, die Sachen abzuladen und dann zu verschwinden. Während er den Schlitten ablud, kam Elly Zahm und half ihm. Sie war ein mageres Kind, sechzehn Jahre alt, eine Waise, die man in keinem Privathaushalt hatte unterbringen können. Sie war tüchtig und arbeitsam, und man hätte sie als Hausmädchen genommen, aber sie sah so unansehnlich aus mit ihren strähnigen Haaren und ihrem schmalen Gesicht, daß niemand sie haben wollte.
    Sie hob einen Korb hoch, der auch für einen Mann eine schwere Last gewesen wäre, und Levi sagte: »Den trage ich«, doch sie hatte ihn schon abgeladen. »Ich habe gehört, was man über dich und das Stoltzfuß-Mädchen erzählt«, sagte sie. »Ich glaube es nicht.«
    Sogar hier! Er errötete tief, seine Hände begannen zu zittern. Sollte es den Rest seines Lebens so weitergehen? »Wie war das eigentlich mit dir und dem Stoltzfuß-Mädchen?« Er ließ die Körbe stehen, sprang in den Schlitten und jagte die Pferde durch das Hoftor. Der Mittwoch und der Donnerstag waren nicht besser. Die Mennoniten von Lancaster County waren alles andere als prüde; sie führten eine mehr als offenherzige Sprache, die einen Baptisten oder Presbyterianer vor Scham hätte erröten lassen. Besonders gern würzten sie ihre Unterhaltung mit Ausdrücken aus dem Bereich des Stoffwechsels und der Kopulation. Kein Wunder, daß es in den Saloons von Lancaster County bisweilen hoch herging. Nicht Prüderie war es, was sie veranlaßte, Levi Zendt in Acht und Bann zu legen, sondern weil er gegen die Tradition verstoßen hatte, wonach man Sexualität zwar im Wort, nicht aber in der Tat ausdrücken durfte. Dieser Zendt, der die Fesseln sprengte, in die seine vier Brüder sich gefügt hatten, war ein Ärgernis und eine Gefahr für die ganze Gemeinde.
    Daher beschlossen die Mennoniten in stillschweigender Übereinkunft, Levi zu schneiden. Von diesem Augenblick an wurde er zu einem Ausgestoßenen. Er durfte nicht zum Gottesdienst, noch konnte er mit einem gottesfürchtigen Mitbürger sprechen. Er konnte weder kaufen noch verkaufen, weder geben noch nehmen. Er konnte mit keinem Mann eine Unterhaltung führen, und die Vorstellung der Freundschaft mit einer Frau lag im Bereich des
    Unmöglichen.
    »Sie schneiden Levi Zendt.«
    »War höchste Zeit. Dieses Tier.«
    Freitags, wenn er von der Farm nach Lancaster ging, bot ihm keiner der Vorbeifahrenden an, ihn mitzunehmen. Die schwarzen Schlitten glitten an ihm vorbei, als ob er eine ansteckende Krankheit hätte. Und auf dem Markt richtete keiner der Händler das Wort an ihn. Bei Anbruch der Dunkelheit belud er den Schlitten und fuhr zum Stadtende hinaus; die Vorsteherin des Waisenhauses weigerte sich, mit ihm zu reden, doch Elly Zahm kam wie immer, um ihm beim Entladen zu helfen.
    »Ich habe gehört, daß man dich schneidet«, sagte sie. Er war zu bekümmert, um Antwort zu geben, und sie fügte noch etwas Seltsames hinzu: »Ich bin mein ganzes Leben lang geschnitten worden.«
    Bei diesen Worten schaute er auf. Zum ersten Mal sah er dieses dünne, unhübsche Mädchen an, dessen Hände von der schweren Arbeit rot und rissig waren, und dessen Augen uralt wirkten. Er erwiderte nichts, sondern brach so überstürzt auf wie beim letzten Mal. Doch als er durch die zunehmende Dämmerung nach Lampeter fuhr, hielt er in der Hell Street an und ging beherzt in den »Weißen Schwan« hinein. »Ist Amos Boemer da?«
    Der Mann hinter der Theke deutete mit dem Kopf in die Ecke, wo der hochgewachsene Fuhrmann stumpfsinnig in ein Glas stierte. Levi ging zu ihm hinüber, rüttelte ihn und fragte: »Amos, willst du den Conestoga verkaufen?«
    Amos schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen und murmelte: »Ich will mit dem Scheißding nichts mehr zu tun haben.«
    »Wieviel?«
    Nun stieg Vernunft in Amos' benebeltes Hirn. »Der Wagen ist von Samuel Mummert gebaut worden. Paradise, 1818. Er hat zweihundert Dollar gekostet.
    Ein guter Wagen.« Er versuchte aufzustehen, schaffte es jedoch nicht. »Jeder wär' verrückt, einen so guten Wagen zu verkaufen.«
    »Wieviel?« fragte Levi.
    »Zwanzig Dollar, und du kannst das Scheißding bis Philadelphia schieben.«
    »Hier sind die zwanzig Dollar«, sagte Levi und hielt

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