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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Aufregung, sondern eine ganz verständliche Unruhe, denn in ganz Colorado lagen nicht mehr als hundert Soldaten, und wenn die Indianer beabsichtigten, alleinstehende Farmen zu überfallen, dann würde sie nichts und niemand daran hindern können.
    Am 26. Juli 1864 sah ein Farmer, der im Osten von Zendt's Farm lebte, wie Indianer zwei von seinen Kühen wegführten und sie vier Meilen von seinem Haus entfernt töteten. Dieses Mal gab es keinen Zweifel daran, wer die Schuldigen waren, daher jagten Leutnant Tanner und seine Mannen wieder durch die
    Prärie. Und wieder fanden sie einige Tipis an einer Stelle, wo sie nicht hätten stehen dürfen. Daß die Rinderdiebe dort wohnten, war nicht wahrscheinlich, aber Tanner umzingelte dennoch das Lager und ließ mit einer Haubitze siebenundvierzig Indianer niedermachen.
    Am 13. August 1864 überfielen Indianer eine friedliche Farm wenige Meilen östlich von Denver und ermordeten eine der beliebtesten Familien dieser Gegend, Clifford und Belle Barley und ihre beiden Kinder. Alle vier wurden brutal ermordet, ihre Körper verstümmelt und skalpiert. Die Leichen wurden nach Denver gebracht und in den Straßen ausgestellt, über ihnen hing ein Stück Pappe mit der Aufschrift: »Dieses Schicksal erwartet uns alle, wenn wir nichts dagegen tun.«
    Beim Anblick der grausam verstümmelten Leichen der Kinder brachen Männer und Frauen in Tränen aus, Familien aus abgelegenen Gegenden wurden nach Denver in Sicherheit gebracht, wo sie die öffentliche Meinung mit neuen Gerüchten über indianische Greueltaten anheizten. Die Angst, die seit Monaten die Stadt heimsuchte, verwandelte sich jetzt in echten Terror, und die Männer fingen an, flüsternd den einzigen Ausweg zu besprechen, den sie vor sich sahen: »Wir werden die Indianer ausrotten, müssen sie einfach samt und sonders vertilgen.«
    Dieses Geflüster drang bis zu Lisette Mercy, die darüber äußerst bestürzt war, denn sie hatte in der letzten Zeit regelmäßig die Arapaho eine Meile östlich von Denver besucht und ihnen Essen und Kleidung gebracht. Seit Generationen hatten die Indianer an dieser Stelle ihre Lager aufgeschlagen, nicht weit von dem Ort, wo der Cherry Creek in den South Platte mündete, und sie sahen keinen Grund, jetzt von diesem Brauch abzugehen. Der Verirrte Adler stellte mit ein paar Hunderten seines Stammes seine Tipis dort auf, und Geschäftsleute aus Denver besuchten sie und besprachen mit ihnen die Zukunft dieses Gebietes. Schließlich hatte er nach dem Vertrag von Fort Laramie Präsident Fillmore besucht, und mit Präsident Lincoln hatte er nach dem Vertrag von 1861 gesprochen. Mit jedem Präsidenten war er fotografiert worden. Das Foto mit Präsident Lincoln zeigte zwei von tiefer Sorge gezeichnete Männer, und es war schwer zu entscheiden, wer von ihnen beiden die größere Last trug. Lincoln, dessen Land sich eben in einen Bürgerkrieg stürzte, oder der Verirrte Adler, dessen Volk von der Ausrottung bedroht war.
    Lisette Mercy schätzte den Verirrten Adler, sie hielt ihn für einen mitfühlenden, warmherzigen Menschen, der sich bemühte, das Richtige zu tun, dabei aber immer wieder in die Irre ging. Er war nun vierundfünfzig Jahre alt, und sein Einfluß unter den Indianern war sehr zurückgegangen. Man hörte jetzt viel mehr auf Krummdaumen und die jungen Hitzköpfe. Die Situation hatte sich derart zugespitzt, daß zwischen den Anhängern der beiden Führer manchmal sogar kleinere Scharmützel stattfanden.
    Nach dem Mord an der Familie Barley wollte der Verirrte Adler nach Denver eilen, um zu erklären, daß auch die Indianer diesen Vorfall mit Abscheu betrachteten und verurteilten, aber er wurde am Stadtrand von bewaffneter Miliz aufgehalten und erhielt die Warnung: »Wir wollen keine Indianer hier haben, auch dich nicht«, und man ließ ihn nicht hinein in die Stadt, deren Gebiet er einmal besessen hatte.
    »Mein Mann tut alles, was in seinen Kräften steht, um den Leuten die Lage klarzumachen«, sagte Lisette dem alten Häuptling, »aber wir haben keine Führer, daher geschieht nichts.« Beide waren sie der Verzweiflung nahe, der Verirrte Adler, weil sein Volk sich nicht länger von ihm auf den Pfad der Versöhnung führen lassen wollte, und Lisette Mercy, weil sie erkannte, wie sinnlos die Versuche ihres Mannes waren, in einer Zeit des politischen Vakuums nach
    Leuten zu suchen, die die Sache energisch in die Hand genommen hätten.
    Weder in der Natur noch in der Politik läßt sich ein Vakuum auf

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