Colorado Saga
die Dauer ertragen. Zwei Männer waren bereits auf dem Weg nach Denver, die dieses Vakuum auf überraschende und bestürzende Weise füllen würden. Der erste war ein einarmiger General aus Vermont, fünfundfünfzigjährig, von eher sanfter Wesensart, Laban Asher, der seine Freiwilligen in den schlimmsten Schlachten des Bürgerkriegs mit Umsicht und Tapferkeit geführt hatte. Voriges Jahr hatte er in Vicksburg seinen rechten Arm verloren. Seine Kollegen behaupteten, die Kugel hätte ihn nicht erwischt, wäre er mit größerer Entschlossenheit beim Sturm auf eine Anhöhe vorgegangen. Doch in seiner vorsichtigen Art brachte er seine Männer gerade noch zur rechten Zeit auf den Hügelkamm, während sein rechter Arm bereits herunterbaumelte und Blut unter dem Tourniquet hervorsprudelte. Aber er hatte richtig entschieden, denn dabei gingen viel weniger Männer verloren als bei einem wirklich draufgängerischen Angriff.
Seine Aufgabe war es, im Territorium Colorado die Ordnung aufrechtzuerhalten und die Bewohner vor Überfällen von Konföderierten, die marodierend den Westen durchzogen, zu schützen. Zwei Wochen nach seiner Ankunft in Denver erreichte ihn die Nachricht, daß der Desperado Jim Reynolds, ein Deserteur der konföderierten Armee, durch das Tal des Arkansas zog, die Verkehrsverbindungen bedrohte und Truppen für einen Sturm auf Denver anwarb.
»Damit hier keine Mißverständnisse entstehen«, sagte General Asher mit Festigkeit, »möchte ich festhalten, daß meine wichtigste Aufgabe darin besteht, dieses Territorium fest in den Händen der Union zu erhalten.« Ohne zu zögern, sandte er seine wenigen Soldaten in den Süden, wo sie Reynolds und vier seiner Männer ergriffen und hinrichteten.
Endlich konnte General Asher seine Aufmerksamkeit dem indianischen Problem zuwenden. Die Zeitungen und die führenden Geschäftsleute unterstützten Leutnant Tanner und riefen gleich ihm nach Krieg, und nur Major Mercy riet zu einer vorsichtigeren Vorgangsweise.
Rein gefühlsmäßig stand Asher auf der Seite Mercys. Mercy gefiel ihm, weil dieser ebenso wie er selbst im Dienst am Vaterland verwundet worden war, so daß ihrer beider Vaterlandsliebe von niemandem in Zweifel gezogen werden konnte. Vielleicht schätzte Asher auch Mercys ruhige Art. Die Männer harmonierten gut miteinander. Gemeinsam arbeiteten sie an einem Plan, wie man die Indianer von den größeren Trails entfernen und ihnen Gebiete zuweisen könnte, wo sie auch Zugang zu Wasser hatten. »Wir werden sie auch ernähren müssen«, sagte Asher eines Tages, »nicht nur heute, sondern noch auf Jahre hinaus. Über Nacht werden keine Farmer aus ihnen. Es wird mindestens zwei Jahrzehnte dauern, bis sie begriffen haben, und wenn man ihnen die Landwirtschaft wirklich beibringen will, muß man ihnen besseres Land geben. Daher müssen also vorläufig wir für ihre Ernährung sorgen.« Als dieser Plan bekannt wurde, überschlugen sich die Zeitungen Colorados vor Empörung, allen voran der »Clarion« mit einem wahren Hetzartikel:
»Wir sagen General Laban Asher: Gehen Sie zurück nach Vermont! Überlassen Sie die Behandlung der Indianer jenen Männern, die wirklich etwas davon verstehen, Männern wie Leutnant Abel Tanner, der weiß, daß man so lange auf sie schießen muß, bis sie wissen, wie man sich benimmt. Wir sagen: Geben Sie Tanner hundert gute Männer auf guten Pferden, und in zwei Wochen hat er Ihnen das indianische Problem gelöst. Und zwar nicht, indem er die Indianer auf Staatskosten füttert.«
»Was soll ich gegen solche Taktiken machen?« fragte Asher ratlos. Er war ein Gentleman aus New England, der sich nicht mit öffentlichem Gezänk beschmutzen wollte, ein Offizier der Armee, der der Tatsache, daß die Zeitungen für die Beförderung eines unverschämten Untergebenen wie Tanner eintraten, ratlos gegenüberstand.
»Weg mit ihm«, riet Mercy. »Schicken Sie Tanner in den Osten... noch heute abend. Dort werden doch Kämpfer gebraucht. Lassen Sie ihn kämpfen.«
»Das geht nicht«, antwortete Asher vorsichtig, »wenn ich das tue, werde ich von den Zeitungen gekreuzigt.« Er schritt auf und ab, und zum erstenmal glaubte Mercy zu bemerken, daß Asher durch sein Gebrechen unsicher und schwach geworden war. Mercy fuhr daher fort: »General Asher, Sie sind ganz auf dem richtigen Weg. Sie müssen sich nur energisch durchsetzen.«
Aber Asher zog zurück. »Mein Instinkt sagt mir, daß es jetzt besser ist, auf Zeit zu spielen. Einige Indianer haben schon
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