Colorado Saga
Meilen weiter kam das Natron heraus, eine widerwärtige weiße Schicht, die sich über alles legte, mit einem öden, toten Geschmack, weder sauer noch süß. Wenn sich das in Wasser löste und eine Kuh davon trank, ging sie auf der Stelle ein.
Als die Sonne über den Horizont stieg, erkannten die Männer erst die wahre Natur des Llano vor ihnen. Meilenweit kein Baum, kein Busch, keine Trailmarkierung, nicht das geringste Anzeichen einer menschlichen Besiedlung. Das war das ödeste, unfruchtbarste Land, das sie jemals gesehen hatten. Gegen neun Uhr wurde die Hitze quälend, die Rinder hielten Ausschau nach Wasser, achtzig Meilen weit würden sie jetzt nach Wasser suchen, das es nicht gab. Der abgebrühteste Cowboy ebenso wie der forscheste Bursche der gern großspurig auftrat, fand es verdammt schwierig, den irren Blick einer durstigen Kuh zu ertragen, und es würgte ihn im Hals, wenn er sie zur Herde zurücktrieb.
Gegen Mittag rief Savage: »Dort kommt er!« Und weit im Westen sahen sie eine Staubwolke, dann ein Pferd, dann einen Mann darauf, das Gesicht weiß vom Natron. Sie beobachteten ihn, wie er auf dem leicht über den flachen Sand galoppierenden Pferd näher kam.
Bei Nacho absteigend, bat Nate zuerst um Kaffee. Die Tasse mit beiden Händen vors Gesicht haltend, sagte er über ihren Rand hinweg: »Bis jetzt sind wir auf dem richtigen Weg.«
»Irgendwo Wasser gesehen?«
»Nichts.« Er trank den Kaffee aus, wechselte das Pferd und verschwand schon wieder, bevor noch die Herde auf den Trail zurückgetrieben wurde.
Auf einem gewöhnlichen Trail mußte man vor allem auf die Spitze des Zuges achten, aber hier war es die Nachhut, die besonderer Aufmerksamkeit bedurfte, denn die Tiere konnten jederzeit versuchen zurückzurennen. Jim und Coker erhielten daher
Verstärkung von Mr. Poteet und Skimmerhorn, der stundenlang neben Jim herritt und ihm vom Leben in Colorado erzählte.
»Aus Colorado wird einmal einer der wichtigsten Staaten Amerikas«, sagte Skimmerhorn.
»Besser als Texas?«
»Schönere Landschaft. Bessere Chancen für einen jungen Mann.«
»Wyoming soll auch nicht schlecht sein.«
»Nichts gegen Colorado. Zu viele Indianer.«
»Was ist mit Montana?«
»Nicht genug Leute.«
Jim war von Skimmerhorn beeindruckt. Er war nicht so hartgesotten wie Mr. Poteet, auch nicht so gut als Cowboy, aber er, als der Eigentümer der ganzen Herde, ritt hier neben ihm Drag. Es war Jim aufgefallen, daß Skimmerhorn sich für keine Arbeit zu gut war. Wenn der Koch mehr Holz brauchte, war Skimmerhorn der erste, der seine Hilfe anbot.
Den ganzen langen Tag geschah nichts, und sie ritten meistens schweigend nebeneinander. Aber in der Nacht wurde die Herde unruhig, denn die Langhörner verstanden nicht, warum sie weitermarschieren mußten und warum es kein Wasser gab. Wieder und wieder versuchten einzelne umzukehren, so daß Jim und Skimmerhorn die ganze Nacht alle Hände voll zu tun hatten. Sie ritten, bis ihre Nachtpferde erschöpft waren und sie frische Pferde von der Remuda holen mußten. Es war eine böse Nacht, alle litten Durst, aber die Männer hatten ihren Kaffee, die Tiere dagegen hatten keinen Tropfen Wasser.
Am zweiten Tag wurde es noch schlimmer. Die Männer konnten aus nächster Nähe beobachten, wie die Tiere von diesem furchtbaren Trail zugerichtet wurden. Ein paar Kühe gebärdeten sich wie verrückt, und die Männer mußten sie mit dem Lasso einholen und sie auf den Kopf schlagen, um sie wieder zum Trail zurückzubringen.
Am späten Nachmittag fingen die Kühe zu brüllen an, und bald erhob die ganze Herde ihre Stimme in einer Welle von Klagen, die anstieg und wieder fiel und das Herz jedes Mannes erschütterte, der es hörte.
Die Hitze war kaum noch auszuhalten. Die Männer ritten scharf und brachen in Schweiß aus, aber die Luft war so trocken, daß sie dabei nicht einmal feucht wurden. Sie schütteten sich ungeheure Mengen Kaffee in die Kehle, konnten aber nicht Wasser lassen. Wer Durchfall hatte - und das war die halbe Mannschaft -, wurde von Bauchkrämpfen gemartert, aber sie schieden keine Flüssigkeit aus. Und über allem lag der Natronstaub - auf den Wangen der Männer, den Bandannas, den Augen der Rinder.
Gewöhnliche Tiere hätten nicht durchgehalten, aber die zähen Langhörner, an Dornen gewöhnt, stolperten unbeirrt weiter, geführt von Stonewall. In diesen Tagen der Prüfung wuchs der mürrische alte Ochse, dem die Hüftknochen herausstanden wie einem Skelett, jedem einzelnen Cowboy
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