Colorado Saga
Zeit der Prüfung kam. Mr. Poteet und Nate Person entfernten sich jetzt noch weiter als bisher von der Herde; sie gingen auf Suche nach guten Wasserlöchern mit viel Weideland rundherum. Das fruchtbare Land entlang des Brazos River lag hinter ihnen, immer öfter mußten sie öde Landstriche durchqueren. Von der Kuppe einer mit saftigem Gras bewachsenen Bodenwelle konnte ein Reiter unversehens an die fünfzig Meilen brauner, vertrockneter Erde vor sich sehen, eine Warnung vor dem, was auf sie zukam. Die Arbeit wurde härter, die Männer gewöhnten sich daran, mit möglichst wenig Wasser auszukommen. Im Umgang miteinander wurden sie jetzt besonders rücksichtsvoll. Voll innerer Spannung fieberten sie alle dem Abenteuer entgegen. Die Spannung ließ nicht nach, als sie Fort Chadbourne passierten, einst eine starke Festungsanlage mit vierhundert Soldaten und einer deutschen Musikkapelle, jetzt verlassen, eine Ansammlung leerstehender Gebäude. »Hier hat mein Dad auch gedient«, erklärte Savage, als sie an den düsteren Bauwerken vorüberritten. »Mußte aufgegeben werden... nicht genug Wasser.«
Hier, neben den Resten von Fort Chadbourne, standen Poteet und seine Männer nun am Rande ausgedehnter Landstriche, die erst jetzt langsam erschlossen wurden, nur zum Teil von kleinen Forts beschützt. Von den alten Siedlungen weit im Norden rund um Santa Fe abgesehen, gab es hier keine Kirchen, Farmen oder Wohnhäuser, wie die östlichen Staaten sie seit den zweiundneunzig Jahren der Unabhängigkeit kannten. Das unermeßlich weite Land wartete darauf, daß abenteuerlustige Männer kämen und es Amerika einverleibten. Zugegeben, in den unsicheren Jahren zwischen 1858 und 1861 war die Postkutsche hier durchgekommen, der legendäre Butterfield Stage, und zwar auf der gleichen Route über den Pecos River, der auch Poteet zu folgen beabsichtigte. Aber der Zug nach Westen war vom Krieg unterbrochen worden. Das einzige, was an ihn erinnerte, waren die geborstenen Wassertanks, die entlang der Route in der Wüste lagen. Für Poteet und seine Männer würde es kein Wasser geben. Wenn der Mut sie verließ, mußten sie mitsamt ihren Rindern umkommen. Sie standen am südlichen Rand des Llano Estacado. Der Name stammte von den spanischen Eroberern, die beim Durchqueren der Wüste Pfähle in den Boden getrieben hatten, um in dieser gleichförmigen Landschaft den Rückweg zu finden. Der Llano schien von der Natur eigens dazu geschaffen, den menschlichen Willen einer fast unlösbaren Prüfung zu unterwerfen. Die Schwierigkeiten wurden immer größer, je weiter man in ihn eindrang, so daß der Mann, der die eine Schwierigkeit überwunden hatte, versucht war, dennoch den Rückweg anzutreten, wissend, daß die nächste Schwierigkeit noch größer sein würde.
Stufe eins bestand aus den dreiundsechzig Meilen von Fort Chadbourne bis zum nördlichen Arm des Concho, einem schäbigen kleinen Wasserlauf, der immerhin noch etwas brackiges Wasser führte. Auf diesem Trail gab es auch noch ein paar versteckte Wasserlöcher, wo das Vieh trinken konnte, wenn die Scouts nur schlau genug waren, sie zu finden. Auf einem gewöhnlichen Trail wäre dieses Stück »Teufelspfad« getauft worden; hier war es noch der bessere Teil. Stufe zwei erstreckte sich nur über dreißig Meilen, vom nördlichen Concho zum mittleren Concho, aber zwischen den Flüssen gab es überhaupt kein Wasser, hier fingen die Rinder an, bockig zu werden.
Stufe drei war eine Strecke von achtzig Meilen durch eine unfruchtbare Ebene mit alkalihaltiger Erde, vom mittleren Concho bis zu Horsehead Crossing am Pecos River. Auf diesen achtzig Meilen gab es weder Wasser noch Gras. Durchquerte man diesen Teil in der üblichen Geschwindigkeit, so brauchte man dazu fast sieben Tage. Das würden die Rinder nicht überleben. Wenn die Geschwindigkeit jedoch verdoppelt oder verdreifacht werden konnte, so bestand die Chance, daß die Langhörner mit dem letzten Rest von Kraft lebend den Pecos erreichten. Auf dieses gewagte Spiel ließen sich die Cowboys jetzt ein.
»Jim«, sagte Mr. Poteet, »es gehört sich nicht, diesen Abschnitt des Trails ohne Gewehr in Angriff zu nehmen. Sieh zu, daß Canby dir eines von seinen borgt.«
Jim begab sich also zum Point und sagte: »Mr. Poteet meint, Sie sollten mir ein Gewehr leihen. Ich möchte es aber kaufen.«
»Womit?«
»Mit Geld. Wenn ich ausgezahlt werde.«
»Du kriegst nichts ausgezahlt. Jeder weiß, daß der Alte deinen Lohn deiner Mutter gegeben
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