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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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amerikanische Geschichte, Mathematik, auch etwas Literatur, vor allem aber lernte er, daß die Möglichkeiten des Menschen unbegrenzt waren. Miß Keller war Mitte der Dreißig und stammte aus New
    England, ihr Horizont war in keiner Weise beschränkt, sie kannte die Geschichte des alten Kontinents genauso gut wie die des neuen, und sie glaubte daran, daß jene Männer und Frauen, die sich einer großen und würdigen Sache verschrieben, mehr erreichten als die, die sich überall skeptisch zurückhielten.
    Auf die Bücher, die sie ihm zum Lesen gab, wäre Jim nie von selber gekommen, aber er studierte sie alle gründlich: Darwins Entstehung der Arten und Die Abstammung des Menschen; Alfred Russel Wallaces Natürliche Auswahl; Matthew Arnolds Kultur und Anarchie und Mark Twains Durch Dick und Dünn.
    Die Nachrichten, die ihn aus St. Louis erreichten, waren nicht erfreulich. Auf dem Rückweg nach Denver kehrten manche Reisende in Zendt's Farm ein, um zu berichten, wie Clemma Zendt die Herzen der Grenzstadt gefangennahm: »Ich glaube, sie geht jeden Abend tanzen. Die jungen Offiziere sind alle von ihr begeistert.«
    Eines Abends kam Jim nach seiner Lektion bei den Zendts vorbei und sagte: »Ich mache mir Sorgen. Sie beantwortet meine Briefe nicht...«
    »Aber Jim!« sagte Lucinda, schenkte Kaffee ein und bot ihm Pfannkuchen an. »Ich war genauso! Frag Levi.« Sie lachte und gab ihrem Mann einen Kuß. »Sicher hat auch er geglaubt, ich würde nie wieder in dieses Nest zurückkommen... nachdem ich St. Louis kennengelernt hatte.«
    Ein glückliches Lächeln trat in ihr Gesicht, als sie sich an diese Zeit erinnerte, und sie griff nach Levis Hand. »So viele junge Männer...«, sagte sie verträumt. »Aber ich bin dennoch zu meinem Levi zurückgekommen.«
    Im Sommer 1874 kam auch Clemma wieder nach Hause. Sie war jetzt ein großes, schlankes Mädchen, das schwarze Haar trug sie hochgesteckt, nur an ihren hohen Backenknochen konnte man noch ihre indianische Abstammung erkennen. Mit ihren neunzehn Jahren war sie bereits eine junge Dame. Sie gab sich schmachtend gefühlvoll und schien sich in ihres Vaters Geschäft nicht recht wohlzufühlen. Aus verschiedenen Andeutungen ging hervor, daß sie in Chicago und auch in New York gewesen war, um die Familie eines jungen Offiziers aus einem Fort südlich von St. Louis kennenzulernen.
    Jim erschien ihr lächerlich steif, mit ihm war es einfach nicht lustig; wenn er mit ihr beisammen war, machte er ihr entweder in einem fort Heiratsanträge, oder er breitete sein neuerworbenes Wissen von Dingen vor ihr aus, die sie nicht im geringsten interessierten. Einmal fragte sie ihn, ob er trinke, und er durchschaute nicht, daß sie es war, die gern einen Schluck gehabt hätte. Statt dessen sagte er mit unangebrachter Strenge: »Bufe Coker trinkt ziemlich viel, aber er ist ja auch aus dem Süden.« Ihr war nicht klar, wo da der Zusammenhang sein sollte.
    Als es Zeit wurde, daß sie ein letztes Jahr nach St. Louis zurückkehrte, gab sie nicht einmal vor, sich um Jims Gefühle zu kümmern, küßte ihn auch nicht zum Abschied, aber als sie die Verzweiflung in seinen Augen sah, lehnte sie sich noch einmal aus dem Fenster des Zuges, nahm seine Hand und sagte fröhlich: »Schau nicht so trübsinnig, Jim. Ich komme zurück.«
    An diesen schwachen Hoffnungsschimmer klammerte sich Jim drei Monate lang, aber als es Weihnachten wurde, konnte er sich nicht länger etwas vormachen. In der Küche der Zendts klagte er, daß Clemma ihm nicht ein einziges Mal geschrieben habe, worauf Mrs. Zendt in Tränen ausbrach.
    »Uns hat sie geschrieben«, sagte sie bitter und zeigte Jim einen Brief:
    »Mom,
    Leutnant Jack Ferguson und ich haben am 10. Dezember geheiratet. Er lebt in New York und ist sehr nett. Ich werde bald ein Baby bekommen.
    Clemma«
    Auch von Cyprian Pasquinel war ein Brief gekommen; was unter seinem gastfreundlichen Dach vorgegangen war, war ihm zuviel gewesen, und er sprach sich mit schonungsloser Offenheit darüber aus:
    »Aus der großen Schar der jungen Männer, die ihr in unserem Haus den Hof gemacht haben, suchte sie sich mit sicherem Instinkt den haltlosesten Offizier aus, den die Armee der Vereinigten Staaten jemals in diesem Distrikt stationierte. Ich will Mayer heißen, wenn er einen Monat nach der Geburt des Kindes noch bei ihr ist.«
    Als Jim dieses harte Urteil las, blieb er schweigend sitzen und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Zweimal setzte er zum Sprechen an, aber Tränen standen

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