Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
Senatoren, die den neuen Staat in Washington vertreten würden, sollten von Wahlmännern gewählt werden, da man allgemein der Ansicht war, daß das Volk dafür noch nicht reif genug sei; die bei weitem weniger bedeutende und erhabene Position des einen Kongreßmannes durfte dagegen durch direkte Wahl vom Volk besetzt werden.
    Als der aufregende Tag der Geburt des neuen Staates näherrückte, entstand in Zendt's Farm eine durchaus vernünftige Bewegung, angeführt von Miß Keller, der Lehrerin. Kaum hatte sie den Vorschlag gemacht, war auch schon jeder davon begeistert: »>Zendt's Farm< ist kein Name für eine richtige Stadt. Wir wollen den doppelten Geburtstag von Stadt und Nation damit feiern, daß wir uns >Centennial< nennen.«
    Alle fanden die Idee so großartig, daß erst nach zwei Tagen jemandem einfiel, zu fragen: »Und was wird Levi dazu sagen? Schließlich hat er den Ort begründet!«
    Levi war völlig damit einverstanden. »Zendt's Farm hat mir nie gefallen«, sagte er. »Ich mag nämlich den Namen >Zendt< nicht. Alle Leute dieses Namens, die ich kenne, sind entweder furchtbar mickrig oder ekelhaft, bis auf meine Mutter, aber sie war eine geborene Spreichert.«
    Lucinda war von dem Namen Centennial so angetan, daß sie noch am selben Nachmittag einen Brief an Cyprian Pasquinel so datierte: »Centennial, Colorado, 9. Juni 1876«, und dieser Brief ist das erste erhaltene Dokument, in dem der neue Name aufscheint.
    So wurde die Stadt Centennial geboren. Ein großartiges Fest wurde unten am Fluß organisiert, um das zweite Jahrhundert der amerikanischen Unabhängigkeit und die Geburt einer neuen Stadt einzuleiten. Mehrere Ochsen, die die Venneford Ranch spendiert hatte, wurden am Spieß gebraten; man hielt patriotische Reden, in denen sowohl den Vereinigten Staaten wie auch der neuen Stadt eine großartige Zukunft vorausgesagt wurde - da platzte mitten in die Festlichkeiten hinein die Nachricht, daß General George Armstrong Custer und seine gesamte Truppe von den Sioux und den nach Rache dürstenden Cheyenne in Montana erschlagen worden seien.
    Auch Pasquinel Mercy war dabei, Custers persönlicher Adjutant. Als ein junger Cowboy mitten in die feiernde Menge gelaufen kam und die furchtbare Nachricht verkündete, da brach Laura Skimmerhorn, Mercys junge, schwangere Frau, ohnmächtig zusammen, und verschiedene Leute starrten vorwurfsvoll auf Lucinda Zendt.
    Die Nation war jetzt hundert Jahre alt geworden, die Stadt zweiunddreißig, gerechnet von jenem Augusttag des Jahres 1844, als Levi Zendt und die beiden McKeags hier ankamen und ihren Handelsposten errichteten. Für die Nation wie für die Stadt lagen die Richtlinien für die künftige Entwicklung klar zutage. Die Nation als Ganzes stand vor den Fragen: Wie läßt sich das Rassenproblem lösen? Wie die expandierende Wirtschaft kontrollieren? Wie der ständig wachsende Reichtum verteilen? Die Stadt Centennial stand vor den gleichen Fragen wie seit Anfang ihres Bestehens: Wie konnte man mit den widerspenstigen Kräften der Natur am besten fertigwerden? Was war die beste Methode, das Land nutzbar zu machen?

    Es riecht nach Schaf
    Wenn je ein Gebiet der Vereinigten Staaten ein wahrhaft Goldenes Zeitalter erlebte, dann das Viehzuchtgebiet des Westens in den frühen achtziger Jahren. Damals waren die Winter milde, und die Rinderherden vermehrten sich ins Gigantische; Landkäufe brachten enorme Gewinne; Bürger aller Berufe sahen sich vor ständig wachsenden Verdienstmöglichkeiten. Gleich den Männern früherer Jahrzehnte, die sich von den Konjunkturwellen der Schiffahrt, der Baumwolle, der beginnenden Industrialisierung hatten tragen lassen, glaubten nun auch die Rancher des Westens, daß ihr Goldenes Zeitalter niemals enden würde. Denn Gold glänzt nicht nur, es blendet auch.
    Niemand kam damals besser voran als jene gerissenen Briten, die lange vorher schon erkannt hatten, daß dieses ansehnliche Stück Erde geradezu darauf wartete, erschlossen und genützt zu werden. In späteren Jahren schmähte man diese Fremden gern als »Zugereiste mit Monatswechsel« - als ob sie unfähige, leichtfertige dritte und vierte Söhne gewesen wären, mit spärlichem Taschengeld in den Westen abgeschoben, vielleicht, um der Familie Scherereien zu ersparen, vielleicht, damit man sie überhaupt los wurde.
    Die Wahrheit aber sah anders aus. Um über ihre beachtlichen Investitionen in der Venneford-Ranch zu wachen, schickten die harten Kaufleute Bristols nur ihre besten Männer

Weitere Kostenlose Bücher