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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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erschossen; aber jedermann wußte, daß sie Kälberdiebe gewesen waren, die man ohnehin besser los war.
    Der Stolz des Klubs war es jedoch, unbestrittener Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens zu sein. Charlotte Seccombe rief eines Abends begeistert: »Was für ein Dinner! Vier Mitglieder des Oberhauses haben heute mit uns Austern-Stew gegessen. Selbst in
    London könnte man es nicht besser treffen!«
    Aber nicht nur Engländer zeichneten den Speisesaal des Klubs mit ihrer Anwesenheit aus. Die reizenden Schwestern Jerome, Töchter eines New Yorker Bankiers, kamen aus dem Osten auf Besuch. Clara, die ältere, heiratete später Morton Frewen, einen Engländer, der im Norden Wyomings ein prächtiges Schloß besaß; Jennie, die jüngere, sollte die Gattin Randolph Churchills werden, und damit die Mutter des großen Winston.
    Bankiers aus allen Teilen der Staaten tauchten in Cheyenne auf, zeigten Interesse an der Rinderzucht, und wenn sie bei den Tischgesprächen von den kühnen und erfolgreichen Unternehmungen der Engländer hörten, verspürten sie den unwiderstehlichen Drang, hier eine Million zu investieren. Bostoner Finanzleute boten in britischen Anwaltskanzleien ihr Kapital an, ebenso Millionäre aus Baltimore und Vertrauensmänner aus Philadelphia. Und nach angemessener Zeit mußte jeder einzelne von ihnen - zu seinem Leidwesen - mit dem so schwierigen Begriff der »Buchzählung« vertraut werden.
    Sooft John Skimmerhorn beobachtete, daß Oliver und Charlotte Seccombe ihre vier Braunen anfeuerten, um nach Cheyenne zu fahren, hatte er Angst: »Was werden sie nur jetzt wieder kaufen?« murmelte er dann. Er mißgönnte seiner Herrschaft keineswegs das aufwendige Herrenhaus, obgleich er, der ernste, einfache Mann, es protzig und angeberisch fand; er hatte auch nichts gegen ein bißchen Mehrarbeit, wenn so feine Leute wie die Jerome-Schwestern und deren Verehrer die Ranch besuchten. Ja, er sagte sogar zu seiner Frau: »Es ist doch ganz gut, manchmal Grafen und Herzöge im Haus zu haben. Da schauen die Cowboys etwas mehr auf sich.«
    Wirklich beunruhigt war er, weil Seccombe Jahr für Jahr mehr vom Viehbestand der Ranch verkaufte.
    Jedes Jahr wuchs die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem buchmäßigen Bestand.
    »Jim«, fragte er an einem Herbsttag seinen Freund Lloyd, als die Seccombes wieder einmal in Cheyenne feierten, »wie viele Zuchtkühe, schätzt du, haben wir noch?«
    »Kann niemand sagen. Sind zu verstreut...«
    »Du bist doch kein Narr, Jim, du hast doch eine eigene Meinung.«
    »Ich würde sagen...« Jim stockte. Er war dreißig Jahre alt und sehr zufrieden mit seinem Job. Es war genau die Art, wie er zu leben wünschte, und er konnte damit rechnen, noch viele Jahre weiter so zu leben. Er hatte weder Weib noch Kind, die VennefordRanch war sein Um und Auf, sein Lebensinhalt, und er würde nichts tun, was seine Stellung gefährden könnte. »Du wirst das nicht in irgendein Buch eintragen?« fragte er argwöhnisch.
    »Nein.«
    »Du wirst es nicht gegen Seccombe ausspielen? Weil er so viel Geld der Ranch ausgibt?«
    »Ich will deine Meinung hören«, fuhr ihn Skimmerhorn an, »du bist für die Rinder verantwortlich. Ich habe ein Recht, es zu erfahren.« »Okay.« Die zwei Männer standen auf unsicherem Boden, und jeder wußte es. Als Vormann der Cowboys mußte Jim von allem wissen. Aber er wollte sein Wissen nicht zum Schaden Seccombes verwendet sehen.
    »Wenn ich vor Gericht stünde, ordnungsgemäß vereidigt«, sagte er, bedächtig, »ich würde sagen: zirka neunundzwanzigtausend, alles in allem.«
    »Die Buchzählung lautet, an die dreiundfünfzigtausend.«
    »Das Buch ist falsch.« Jim war verärgert, erbittert, sowohl über die Fragerei wie über die Tatsachen. Schon seit längerer Zeit war ihm klar, daß die Zahlen in den Büchern schrecklich aufgebläht waren, und er war auch sicher, daß früher oder später einer aus Bristol das entdecken würde - und dann würden die Seccombes höllisch zahlen müssen.
    »Hör zu, Jim«, sagte Skimmerhorn versöhnlich, »ich steh' doch auf deiner Seite.«
    »Hört sich nicht so an.«
    »Was wir tun sollten, ist, glaube ich, folgendes: Zweimal im Jahr Seccombe eine genaue Schätzung des wirklichen Viehbestandes vorlegen. Alles einbezogen: neue Stiere, Kühe, Kälber, Ochsen.«
    Jim nickte.
    »Wir geben Seccombe die Aufstellung. Was er damit macht, ist seine Sache. Aber wir haben, glaube ich, die Pflicht...«
    »Das tu' ich doch schon die ganze Zeit!«

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