Colorado Saga
waren und sich aus Leichtsinn von der Herde entfernten. Also prüfte er das Terrain und fand auch bald einen kleinen Steinwall, der ihnen möglicherweise Schutz bieten konnte.
Den Kopf plötzlich zur Seite werfend, schwenkte er um nach rechts und stürmte auf den Steinwall zu. Wie durch unsichtbare Fäden mit ihm verbunden, machte das Bullenkalb die Wendung mit, und beide strebten der neuen Verteidigungsstellung zu. Dort machte Rufus kehrt, auf seine Feinde zu, während er das Kalb, von seiner breiten, rötlichen Flanke geschützt, zwischen sich und den Steinwall schob.
Die Wölfe kamen, elf an der Zahl, konnten aber weder gegen seine Hörner und den massigen Schädel etwas ausrichten, noch konnten sie an ihm vorbei in seinen Rücken gelangen und ihn bei den Flechsen packen, denn er hielt sich mit dem Hinterkörper stets dicht an den schützenden Steinen. Hätte ihn dieses lästige Kalb nicht ständig behindert, er hatte die Wölfe zurückschlagen und die Herde einholen können, mit diesem Klotz am Bein jedoch konnte er sich ihrer nur mit Mühe erwehren.
Doch es blieb ihm noch eine andere taktische Maßnahme. Er brüllte, und zwar mehrere Male. Es war ein tiefer, gutturaler Ruf, der offenbar ungehört auf der Prärie verhallte. Trotzdem wurde er gehört. Die Bisons, die sich ihre Angst von der Seele gelaufen hatten, waren stehengeblieben und bewegten sich unentschlossen im Kreis, als der beste Kampfbulle der Herde, der große, schwarze, den Notschrei hörte und umkehrte, um nachzusehen. Begleitet wurde er von dem Bullen mit dem schiefen Horn, und je mehr sich die beiden der Quelle des Notschreis näherten, desto mehr steigerten sie ihr Tempo.
Wütend stürzten sie sich auf die ihre Opfer umkreisenden Wölfe, warfen mit den zum Bremsen in die Erde gestemmten Hinterläufen Staubwolken auf. Sofort erkannten sie, was sich hier abspielte, erkannten, daß Rufus und das Kalb vor dem Steinwall in der Falle saßen. Mit kampfeslustig gesenkten Köpfen und fliegenden Hufen warfen sie sich auf die Wölfe, so daß diese in alle Richtungen auseinanderstoben. Einen von ihnen erwischte der schwarze Bulle mit einem Horn, schleuderte ihn hoch in die Luft und stampfte, als er auf den Boden fiel, gnadenlos auf ihm herum. Die übrigen ergriffen die Flucht. Das Kalb, von dem überstandenen Abenteuer und dem beruhigenden Geruch seines Retters Rufus freudig erregt, trottete glücklich inmitten der drei Großen davon.
Als das Kalb wieder bei der Herde war und seine Aufregung sich gelegt hatte, verspürte es Hunger -und gleich nebenan die gute Witterung von Rufus. Eilig lief es zu dem Jungbullen und versuchte, an ihm zu trinken. Rufus jedoch hatte die Nase voll. Er senkte das Horn, nahm den Kleinen unter dem Bauch hoch und schleuderte ihn in die Luft, so daß er jämmerlich schreiend zu Boden schlug. Verwirrt erhob er sich, wollte immer noch zu Rufus zurück, doch als er sich näherte, senkte Rufus den Kopf neuerlich und schickte ihn zum zweitenmal auf eine Luftreise.
Diesmal hörte die verzweifelte Mutter das Geschrei, erkannte die Stimme ihres Sprößlings und eilte herbei, um ihn, den sie verloren geglaubt hatte, zu sich zu holen. Eifrig leckte sie sein Fell, ließ ihn trinken und tat alles, um ihn wieder an sich zu gewöhnen, aber der Kleine hatte noch immer den vertrauten Geruch von Rufus in der Nase, den er während des Angriffs der Wölfe so ausgiebig genossen hatte.
Allmählich kam nun die Brunftzeit heran, und Rufus wie auch die anderen Bullen begannen mit einem seltsamen, aber aus Urzeiten überkommenen Ritual. Eines Morgens griff Rufus plötzlich und ohne ersichtlichen Grund die Pappeln entlang des Flußufers an, stieß auf sie ein, als wären sie lebendige Gegner, ließ dann wieder von ihnen ab und säuberte seine Hörner an ihren Stämmen. Am Tag darauf, als er lässig auf die Herde zutrottete, verspürte er den unwiderstehlichen Drang, sich auf den Boden zu werfen und sich im Staub hin und her zu wälzen, bis er von oben bis unten mit Sand bedeckt war.
Anschließend erhob er sich, urinierte ausgiebig in die
entstandene Suhle, warf sich abermals hinein und
beschmierte sich Kopf und Körper mit dem
Urinschlamm, als wolle er aller Welt verkünden:
»Wenn ihr diesen Geruch wahrnehmt - das ist Rufus.« In diesem Abschnitt seiner Brunftzeit hatte er noch kein Interesse daran, andere Bullen herauszufordern, sondern hielt sich wohlweislich von
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