Colorado Saga
Bisons zu kommen und die Prärie in ein wogendes schwarzes Meer zu verwandeln, und immer noch kamen neue hinzu. Ihren Wanderungen lag kein Plan zugrunde, sie folgten lediglich dem von ihren Vorfahren bereits eingehaltenen Gesetz.
In einer solchen Riesenherde wäre der kleine schwarze Bulle mit dem falschen Mutterbild untergegangen, hätte er sich nicht stets dicht bei Rufus gehalten. Da er die Witterung seiner Mutter kaum kannte, hatte er auch keine Möglichkeit, sie in diesem Gewühl zu finden, der kräftige Geruch seines Adoptivvaters jedoch war schon von weitem leicht auszumachen, und so hielt sich der kleine Bursche eben an ihn.
Ganz gleich, wie schlecht der mißgelaunte Rufus seinen unerwünschten Begleiter behandelte - der junge Bulle blieb bei ihm. Da er die Muttermilch entbehren mußte, lernte er bereits sieben Monate vor seinen Altersgenossen von Gras zu leben, und während die anderen noch bei ihren Müttern Schutz suchten, entwickelte er einen kaum zu bändigenden Unabhängigkeitstrieb. Als der erste Schnee fiel, begann er auf jedes Tier, das ihm begegnete, mit seinem Dickschädel anzurennen, und da er einen Angriff der Wölfe bereits überstanden hatte, fürchtete er sich nicht einmal mehr vor diesen. Je höher sein kleiner Buckel wuchs, desto ausgeprägter wurde seine Kampfeslust. Er war ein recht ungebärdiger kleiner Bulle.
Zusammen mit Rufus bewegte er sich frei innerhalb der großen Herde - zuweilen unter der Führung ihrer eigenen Kuh, zuweilen weit von ihr entfernt, beinahe außerhalb der großen Masse. Eines Tages, als sich die Herde, wie zur Winterzeit üblich, in kleinere Einheiten teilte, drängten ungefähr hunderttausend Bisons nach Süden über den Fluß, und diesmal sollte es sich als
Glück erweisen, daß Rufus und das Bullenkalb sich nicht in der Mitte der Herde aufhielten. Die Herde graste ein gutes Stück westlich der Zwillingssäulen und zog gemächlich auf die vierzig Fuß hohe Kalkklippe zu. Wäre diese Wanderung normal verlaufen, hätten sich die Bisons schließlich in zwei Gruppen geteilt, von denen eine die Klippe im Westen, die andere im Osten umgangen hätte.
An jenem Tag aber stiftete ein Wolfsrudel Unruhe an der Ostflanke. Die Tiere dort begannen eine Stampede, andere, die das bemerkten, schlossen sich ihnen automatisch an, und binnen kurzem setzte eine allgemeine Panik ein, bis ungefähr achtzig- bis neunzigtausend Bisons über die Ebene stürmten. Unaufhaltsam rasten sie weiter, alles niederrennend, was ihnen in den Weg kam. Stolperte und fiel ein Tier, wurde es von den stampfenden Hufen zu Tode getrampelt, und ein Kalb, das sich auch nur sekundenlang von der Mutter löste, mußte entweder sterben oder ging für immer verloren.
Das Zentrum der Stampede jagte direkt auf die Kalkklippe zu. Sobald die Leittiere den steilen Abgrund sahen, machten sie den Versuch, die Herde anzuhalten, schafften es aber nicht, denn die nachfolgenden Tiere drängten weiter und stießen sie über den Klippenrand. Die meisten von ihnen stürzten in den sofortigen Tod; diejenigen, die überlebten, wurden von den nachfolgenden Bisons, die ebenfalls hinabstürzten, zerschmettert.
Die Tiere an den Flanken allerdings konnten die Klippe umgehen. In der mittleren Gruppe betrugen die Verluste jedoch eintausendzweihundert Kopf: Die
Wölfe brauchten nicht mehr auf Nachzügler der Herde zu lauern.
Rufus, der sich an jenem Tag mit dem Bullenkalb auf dem linken Flügel befand, brachte sich und seinen Schützling mühelos auf die Ebene unterhalb der Klippe in Sicherheit. Dem kleinen Bullen machte die aufregende Jagd so großen Spaß, daß er nicht mehr von Rufus Seite wich, und als die Herde sich wieder unter der Führung ihrer energischen Leitkuh versammelte, zogen die beiden ostwärts zu den Zwillingssäulen, wo der freiwillige Waisenbulle zu einem strammen Jüngling heranwuchs.
Vom Wesen her war er ein kleiner Rowdy, der schon im Alter von neunzehn Monaten, als ihm auf dem pechschwarzen Kopf kraftvolle Hörner wuchsen, immer wieder auf Abenteuersuche ging. Eines Tages kam er mit schweren Wunden stark hinkend zur Herde zurück: Sein linkes Hinterbein war oberhalb des Knöchels zerfetzt, sein Gesicht aufgeschlitzt und seine rechte Flanke von scharfen Zähnen aufgerissen. Als Rufus und die anderen Bullen herbeikamen, um an Hand der Gerüche an seinem Körper festzustellen, was sich da abgespielt hatte, entdeckten sie, daß das Blut an seinem rechten Horn nicht von ihm selbst stammte Eingehender
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