Colorado Saga
ihnen fern. Statt dessen kämpfte er weiterhin gegen die Pappelstämme und fuhr eifrig fort, sich zu suhlen. Hin und wieder stieß er gutturale Drohlaute aus, ohne sich jedoch um die Kampfrufe der anderen Bullen in seiner Nähe zu kümmern.
Und dann, eines Morgens, löste sich eine braune Kuh aus der Gruppe der Kühe, mit denen sie ständig zusammen war, und trat sogar nach ihrem einjährigen Kalb, als dieses die Lektionen vom vorigen Jahr befolgen und sich wie immer neben ihr halten wollte. Sie ging auf die Bullen am Rand der Herde zu und wanderte von einem zum anderen, bis sie den Anführer gefunden hatte. Sie blieb in seiner Nähe. Zärtlich beleckte er ihr Fell, rieb seinen Kopf an ihrer Wange oder legte seinen struppigen Kopf auf ihren Rücken, als wäre das sein gewohntes Kissen. Niemals ließ er sie allein und wartete nur noch auf den geeigneten Augenblick zur Paarung.
Und nun begann die dramatische Phase der Brunftzeit. Ein vierjähriger Bulle, der sich bis dahin noch nie mit einer Kuh gepaart hatte, verließ die kleineren Bullen, mit denen er sich im Kämpfen zu üben pflegte, und marschierte tollkühn auf das Liebespaar zu. Die Kuh ignorierend, stellte er sich so herausfordernd hin, daß sein dunkler Bart beinahe den des schwarzen Bullen berührte. Dieser, seit langem auf eine solche Herausforderung vorbereitet, in diesem Augenblick jedoch nicht darauf gefaßt, starrte den Eindringling lange an.
Mit erschreckender Gewalt sprangen die beiden Bullen plötzlich aufeinander los; ihre Zottelköpfe prallten mit einem Krach zusammen, daß es weit über die Ebene hallte. Zur Überraschung des älteren Bullen schien dieser erste, mächtige Stoß bei dem jungen Herausforderer keinerlei Wirkung zu hinterlassen, denn dieser scharrte mit den Hufen, senkte den Kopf und zielte wieder mit unglaublicher Kraft auf die Stirn des Älteren. Der schwarze Bulle war versucht, eine Wendung zu machen und den Jungbullen gefahrlos an seiner Flanke abgleiten zu lassen, doch der Instinkt sagte ihm, daß er mit diesem Eröffnungskampf ein Zeichen setzen müsse, und er beschloß, die Situation ein für allemal zu klären. Also wappnete er sich für den Angriff, senkte den Kopf und fing die Attacke frontal mit der Stirnpartie auf.
Einen Moment verhakten sich die Hörner der beiden mächtigen Tiere, und es sah aus, als sollte die geballte Kraft des Jüngeren den Älteren zurücktreiben. Aber der schwarze Bulle hatte noch Kraftreserven. Fest setzte er die Hinterbeine in den Boden. Sein Rückgrat fing den Stoß auf. Und nun begann er seinerseits Druck auszuüben. Langsam mußte der jüngere Bulle nachgeben. Er konnte mit den Hinterbeinen keinen festen Stand fassen.
Mit einer plötzlichen Wendung drehte der ältere Bulle nun den Herausforderer zur Seite und stieß, als der Bauch des jüngeren sich ihm offen darbot, kraftvoll seine Hörner hinein. Unter dem Fell knackten die Rippen, dann kam ein langgezogener Schmerzensschrei. Der jüngere Bulle wich zurück und verzog sich, ohne einen weiteren Angriff zu wagen. Wieder einmal der Sieger, kehrte der ältere Bulle zu seiner Kuh zurück, die er in ehrlichem Kampf gewonnen hatte. Dieser scheinbar unnötige, ja grausame Prozeß bewirkte, daß nur die stärksten Bullen sich fortpflanzten und so die Art erhalten blieb. Diesmal allerdings wurde es ihm nicht so leicht gemacht, denn kaum hatte der siegreiche Bulle der
Herde den Rücken gekehrt und seine Aufmerksamkeit wieder der Kuh zugewendet, da hörte er abermals ein kampflustiges Schnauben. Als er sich umdrehte, sah er den Bullen Rufus energischen Schrittes auf sich zukommen. Der stellte nun eine ernsthaftere Herausforderung dar.
Als Rufus dem älteren Bullen Horn an Horn gegenüberstand, konnte dieser den Urin riechen, mit dem sich sein Herausforderer am Vormittag eingeschmiert hatte. Es war der Geruch eines erwachsenen Bullen, eines Bullen, der bereit war, seinen Platz unter den Leittieren der Herde einzunehmen. Deshalb blieb der schwarze Bulle ganz ohne Bewegung stehen und starrte seinem Herausforderer in die Augen. So standen die beiden großen Tiere über eine Minute, dann wandte Rufus langsam den Blick ab, senkte den Kopf und trottete ohne jede Eile davon. Es war kein guter Tag für den Beginn eines richtigen Kampfes. Es würden sich andere, vorteilhaftere Gelegenheiten ergeben.
Im weiteren Verlauf der Brunftzeit wurden die Kühe nur von drei Bullen besprungen: von dem schwarzen Leitbullen, von dem Bullen mit dem schiefen Horn und von
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