Colorado Saga
auf einer der Viehfarmen zu bekommen. Doch im März 1904 verschob er die Ausführung dieses Traumes. Ein Mann ging da nämlich in Costilla herum, wo Tranquilino beschäftigt war, und fragte: »Gibt es Mexikaner hier, die sich für einen wirklich feinen Job interessieren? Gemüsepflanzen in Alamosa oben in Colorado?« Der Mann bot eine so phantastische Entlohnung an - vier Dollar die Woche, Wohnung und Verpflegung -, daß Tranquilino und noch ein paar andere sofort zugriffen.
Nordwärts ging es mit dem Wagen zum Bianca Peak, der den ganzen Straßenzug beherrschte, und dann nach Westen zu den Rieselfeldern rund um Alamosa. Tranquilino empfand es als Vergünstigung, in Alamosa arbeiten zu dürfen, dessen zahlreiche Ladenbesitzer alle Spanisch sprachen. Bald kam es ihm vor, als ob Colorado ein noch besserer Staat wäre als New Mexico
- bis er erfahren mußte, daß die Mehrzahl der Bewohner der kleinen Stadt auf die Mexikaner schlecht zu sprechen war und ihnen alles Böse nachsagte.
Es gab in den westlichen Bundesstaaten Amerikaner, die, weil sie ihre Indianer verloren und nur wenige
Schwarze zur Hand hatten, ihren Zorn jetzt an den Mexikanern ausließen. Der Sheriff von Alamosa verhaftete Mexikaner selbst wegen geringfügiger Vergehen, und die Richter straften sie streng und ohne auch nur die äußere Form einer Gerichtsverhandlung einzuhalten. Die Ladenbesitzer berechneten ihnen höhere Preise als ihren weißen Kunden, und es gab viele Geschäfte, zum Beispiel Friseurladen und Restaurants, die ein Mexikaner nicht betreten durfte. Ihr Geld war den Leuten willkommen, sie selbst nicht. Aber sogar nach drei unerquicklichen Zusammenstoßen mit den Gesetzeshütern, auf Grund von Vergehen, von denen er gar nicht wußte, daß er sie begangen hatte, sagte Tranquilino, ein ruhiger Mann, der immer bemüht war, allem Verdruß aus dem Wege zu gehen, zu seinen mexikanischen Zellengenossen: »Es könnte schlimmer sein. Wäre ich nicht hier, ich würde in den Silberminen in Temchic arbeiten müssen. Möglicherweise wäre ich schon tot.« So erwarb er sich auch in Alamosa den Ruf eines verläßlichen Mannes. Er kam als erster zur Arbeit, ging als letzter heim und verlor nie seine gute Laune. »Guten Morgen, Mr. Adams! Jawohl, Mr. Adams! Sofort, Mr. Adams!« Es war nicht Unterwürfigkeit, die ihn bewog, sich so zu benehmen. Er tat es, weil er froh war, einen Job zu haben, und dankbar, daß man ihm den Lohn auf fünf Dollar die Woche erhöht hatte, was ihn in die Lage versetzte, seiner Frau in Santa Ines noch mehr Geld zu schicken.
Einige hitzige Kameraden warfen ihm vor, er habe Angst, für seine Rechte einzutreten. »Ich habe alle Rechte, die ich brauche«, antwortete er ihnen. »Ich lasse die Finger von allem, was mich mit dem Sheriff in Konflikt bringen konnte, und ich bin seit acht Monaten nicht mehr im Gefängnis gewesen.«
Es war nun das dritte Jahr, daß er Geld nach Mexiko schickte, und er wußte noch immer nicht, ob seine Frau es bekam oder nicht. Darum ging er im Oktober, als die Ernte eingebracht war, zu Mr. Adams. »Ich fahre nach Chihuahua«, sagte er.
Mr. Adams war gar nicht so unglücklich darüber, in den stillen Wintermonaten einen Mann weniger füttern und bezahlen zu müssen. »Eine gute Idee, Tranquilino«, antwortete er, »Im nächsten Frühling kannst du wieder bei mir anfangen.«
Es gab einen Zug nach El Paso, und für einen kleinen Aufschlag durfte er bis zur Grenze fahren. Dort ging er über die Brücke und wurde von den mexikanischen Beamten freundlich begrüßt »Santa Ines«, gab er ihnen sein Reiseziel an, und ein Leutnant warnte ihn: »Paß gut auf, mein Freund, und laß dich nicht mit den Revolutionären ein, die in dieser Gegend ihr Unwesen treiben.«
»Ich mochte nur meine Frau besuchen«, entgegnete Tranquilino. »Ich habe seit drei Jahren nichts von ihr gehört.« Er ging auf den Frachtenbahnhof der Northwest Line, wo schon ein paar Dutzend anderer, die auch aus den Vereinigten Staaten gekommen waren, auf einen geschlossenen Güterwagen warteten, der nach Süden fahren würde.
Auf dem Weg nach Guerrero erfuhr Tranquilino zum ersten Mal von den ernsten Unruhen, die in ganz Mexiko ausgebrochen waren. Auch erzählte man ihm von Oberst Salcedo, dem Helden von Temchic, der jetzt diese Gegend beherrschte, und wie dieser grausame Mann in seinen Ledergamaschen herumstolzierte und Feldarbeiter erschoß, wenn sie ein Wort gegen General Terrazas oder Präsident Diaz laut werden ließen.
Aber er hörte
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