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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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das Wochenende. »Sie haben Nerven, Garrett«, meinte ein Rancher beim Verlassen des Saales. »Gegen einen echten Amerikaner auszusagen!«:    Paul nahm mit Erleichterung zur
    Kenntnis, daß das Gericht auf seine weitere Einvernahme verzichtete.
    Am Sonnabend, dem 10. November, arbeitete er auf der Ranch und ritt dann nach Norden, um die wilden Truthühner zu inspizieren. Es waren sehr schöne Vögel, groß und schwer. Sie sahen immer so aus als ob gerade die Pilgervater mit langen Büchsen hinter ihnen her wären, um sie zum Erntedankfest 1621 zu verzehren. Paul freute sich, daß sie die Ranch mit ihm teilten.
    Er ritt auch zu einer Stelle hinüber, wo er einen Bau für Präriehunde eingerichtet hatte, und auch Kanincheneulen ihre Gelege bargen. Die Wiederkehr der kleinen Geschöpfe war kein reiner Segen gewesen, denn eines von Garretts Pferden brach sich in einem ihrer Erdgänge ein Bein und mußte erschossen werden. Der Aufseher der Ranch wollte den Bau mit einer Planierraupe dem Erdboden gleichmachen, doch Garrett verweigerte seine Zustimmung: »Man kann nichts erhalten, ohne auch Nachteile in Kauf zu nehmen. Wenn wir diesen Bau an seinem Platz lassen, werden sich Pferde die Beine brechen, und die Klapperschlangen werden wiederkommen. Aber im großen gesehen, gleichen sich die Dinge aus, wie sie das auch schon vor zweitausend Jahren getan haben. Wir müssen das Gleichgewicht bewahren und den Preis dafür bezahlen.«
    Die Tatsache, daß er die Gesellschaft von Truthühnern und Präriehunden suchte, brachte ihm erneut zum Bewußtsein, wie sehr er an der amerikanischen Krankheit litt. Es war eine tiefe Niedergeschlagenheit, die Infektion der Einsamkeit, die ihn überkam und die er wohl wahrnahm, aber nicht erklären konnte.
    »Ich habe nie begriffen, warum so viele Amerikaner der Einsamkeit verfallen Ich weiß, daß ich diesbezüglich erblich belastet bin. Als Alexander McKeag, den ich als Vorfahren mitrechnen konnte, weil er die Pasquinels zusammenhielt, den Winter 1827, ohne ein Wort zu jemandem zu sprechen, in einer Höhle verbrachte, litt er an dieser Krankheit.
    Und als mein anderer Ahne, Levi Zendt, dem Beaver Creek den Rücken kehrte und die grauenhafte Abgeschiedenheit der Kalkklippen wählte, benahm er sich wie ein typischer Amerikaner.
    Schafhirten wie Amos Calendar zogen die Einsamkeit vor. Gleich ihrem Vorbild Daniel Boone lebten sie lieber allein als mit vielen Menschen zusammen.
    Diese Krankheit befiel nur weiße Amerikaner. Die
    Arapaho verbanden sich immer zu großen kommunalen Einheiten. Die chinesischen Eisenbahnarbeiter und die auf den Rübenfeldern beschäftigten Mexikaner lebten in ihren Siedlungen. Die Japaner bildeten eine enge Gemeinschaft, und das gleiche galt für die Russen. Nur der Amerikaner liebte die Einsamkeit und legte seine Ranch oder seinen Hof an, wo niemand ihn zu Gesicht bekam. Warum?« Garrett hatte sich eine Theorie zurechtgezimmert, die diesen amerikanischen Hang zur Isolierung erklären sollte. Wenn ein Pilgervater bei Plymouth die Küste erreichte, sah er nur Wildnis vor sich, und ihr mußte er sein eigenes kleines Königreich entreißen. Er mußte gegen die Einsamkeit ankämpfen, mußte lernen, mit ihr zu leben    und    sie    zu beherrschen. Konnte    er das
    nicht, konnte er auch    nicht überleben. Nach Plymouth
    zu kommen, um an einer Bürgerversammlung teilzunehmen, das war kein charakteristischer Bestandteil seines Lebens in New England. Die Rückkehr in die Einsamkeit des eigenen Hauses, sie war es, die seiner Existenz ihren Stempel aufdrückte.
    In den Gebieten an den Siedlungsgrenzen, die später dazukamen,    war    es    nicht anders. Wer in    seinem
    Innersten die Einsamkeit fürchtete, konnte nicht hoffen, sich    an    die    entsetzliche Isolierung    in den
    Wäldern von Kentucky zu gewöhnen. Die Neigung, allein zu hausen, wurde fast zur Vorbedingung für ein Überleben in Amerika, und noch heute, so wollte es Garrett dünken, gab es auf der Welt nur wenige Orte, die so einsam waren wie die amerikanischen Städte. Die Prärie hatte die Last dieser Prüfung noch erhöht, weil die Menschen dort der Leere nicht entrinnen konnten, selbst der Schutz der Bäume fehlte. Eine Familie, die nach Westen zog, mußte damit rechnen, fünfzig Tagereisen zurückzulegen, ohne auf eine menschliche Behausung zu stoßen, und die Frau, deren Mann sich entschloß, in Wyoming zu siedeln, tat gut daran, sich an das Nichts zu gewöhnen,

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