Colorado Saga
Garrett, der dem Gericht als Bevollmächtigter Stellvertreter des Kommissärs vorgestellt wurde. Die Zuschauer beugten sich vor, als er den Zeugenstand betrat, denn dieser Fall hatte die Gemüter erhitzt, und viele Bürger fanden es unfair, daß man Calendar mit einem hohen Beamten wie Garrett konfrontierte.
»Ich kenne Floyd Calendar mein ganzes Leben lang«, gab Garrett in seiner Einvernahme an. »Ich kannte auch seinen Vater. Und meine Eltern kannten seinen Großvater.«
»Erzählen Sie uns von Mr. Calendar und den Truthühnern.«
»Vor etwa zehn Jahren lockte ich eine Familie wilder Truthühner auf den nördlichen Grenzstreifen meiner Ranch. Wir fütterten sie und beschützten sie, und nach einer Weile hatten wir eine recht ansehnliche Herde. Der wilde Truthahn ist ein sehr empfindlicher Vogel, so gut wie ausgestorben in unserer Gegend, und wir beobachteten unsere Brut sorgfältig. Doch anscheinend wurden sie auch von Floyd Calendar beobachtet, denn nachdem die Herde einen gewissen Umfang erreicht hatte, begann die Zahl der Tiere abzunehmen. Wir konnten keine Spuren von Coyoten finden und zerbrachen uns den Kopf, bis mir ein Freund in Massachusetts einen vervielfältigten Brief schickte, den er aus Colorado erhalten hatte. Hier ist der Brief.«
Der Richter wies den Protokollführer an, den Brief vorzulesen; die Zuhörer waren teils belustigt, teils empört, als der Inhalt von Floyd Calendars Werbebrief bekanntgegeben wurde: »Ich gebe Ihnen eine
Garantie, die kein anderer Führer in Amerika Ihnen geben kann. Kommen Sie in die Rockies, und ich werde Ihnen zeigen, wie Sie unsere beiden Wappentiere, den Weißköpfigen Seeadler und den wilden Truthahn, zur Strecke bringen können.«
»Wo hatte er die Truthühner her?« fragte der Staatsanwalt.
»Aus meinem Schongebiet. Als ich den Brief sah, postierte ich einen meiner Leute dorthin, und tatsächlich erschien bald darauf Floyd Calendar mit einem Jäger aus Wisconsin und schoß meine Truthühner.«
»Nun, Mr. Garrett, es sind da Gerüchte im Umlauf über die Art, wie Sie darauf reagierten. Wollen Sie dem Gericht dazu eine Erklärung abgeben?«
»Ich war sehr zornig und wartete, bis ich Calendar ins >Flor de Mejico< hineingehen sah, das ist Manolo Marquez' Restaurant. Dort stellte ich ihn und sagte etwa das Folgende... «
»Wir wollen nicht hören, was etwa Sie sagten. Was haben Sie gesagt?«
»Soweit ich mich erinnern kann, sagte ich: >Calendar, wenn Sie noch einmal dieses Truthahnschongebiet betreten, bringe ich Sie um. Bin ich da, wenn Sie kommen, tu' ich's auf meinem Land. Entwischen Sie mir, komme ich in dieses Restaurant und lege Sie um, während Sie beim Essen sitzen.<«
»Sie haben gesagt, Sie würden ihn umlegen, während er beim Essen sitzt?« - »Ja Ich war sehr zornig.«
Dieses frühzeitige Eingeständnis seiner Drohung nahm dem Kreuzverhör etwas von seiner Schärfe, aber der Verteidiger machte eine ganze Menge von der Tatsache her, daß ein Mann, der in seinem neuen Amt mit Sportsleuten zu tun haben würde, gedroht hatte, einen von ihnen zu töten. Garrett stieg nicht sehr gut aus diesem Verhör heraus.
Der letzte Zeuge der Anklage war ein Mann aus Centennial, der schon einige Male Streit mit Calendar gehabt hatte. Seine Aussage war vernichtend: »Für
Floyd Calendar ist das Töten Selbstzweck. Er haßt alles, was sich bewegt - Präriehunde, Klapperschlangen, Gabelböcke und, wie Sie ja gehört haben, Bären und Adler. Wenn man Floyd freie Hand ließe sobald er das Tierreich liquidiert hätte, würde er, glaube ich, auf Menschen losgehen - auf Neger und Mexikaner und Chinesen und Katholiken und jeden, der nicht genauso ist wie er. Er haßt alles, was nicht in sein Weltbild paßt, und sieht es als seine Pflicht an, es auszumerzen. Ihn einen Sportsmann zu nennen ist ein Hohn. Aus ökologischer Sicht ist er ein Monster.«
Der Verteidiger erhob natürlich gegen diese ganze Tirade Einspruch, und der Richter ließ sie aus dem Verhandlungsprotokoll streichen.
Mit dem Auftreten der ersten Zeugen der Verteidigung wurde deutlich, welchen Verlauf der Prozeß nehmen würde. Es waren Viehzüchter und Jäger, die übereinstimmend angaben, daß die Adler jungen Lämmern nachstellten und daher ausgerottet werden sollten. Sie sagten auch aus, daß Floyd Calendar einer der feinsten Kerle im Westen sei - er wäre immer sehr nett zu seiner Mutter gewesen, bestätigten alle -, und nach dieser erbaulichen Feststellung vertagte sich das Gericht über
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